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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Krieg und Frieden

Draußen ist Krieg … Putin hat die Ukraine angegriffen. Es ist schrecklich. Mir fehlen die Worte … erst recht das Verständnis. Die Sehnsucht nach Frieden ist derzeit allgegenwärtig. Allerdings musste ich feststellen, dass auch Innen – also in mir – ein Krieg tobt. Ein Krieg zwischen Erziehungsburnout und Mutterliebe. Ich liebe meinen PATMan von ganzem Herzen und ein Teil in mir versucht ihn zu beschützen, ihn zu verstehen, ihm zu helfen. Das ist der Frieden, die Liebe. Doch ein anderer Teil in mir ist sooo was von satt, sooo was von müde, soooo was von unwillig und dieser Teil zettelt immer wieder den Krieg in mir an. Es herrscht also Krieg und Frieden in mir.

Erziehungsburnout

Seit über 20 Jahren leiste ich Erziehungsarbeit. Seit mehr als 20 Jahren überlege ich täglich was das Beste für meine Kinder ist. Täglich fälle ich Entscheidungen – manche recht groß, weitreichend und manche nur sehr klein … aber dennoch täglich. Die kleinen fallen meist nicht so schwer. Aber die großen, schwerwiegenden Entscheidungen DIE fordern und zwar ordentlich. Noch anstrengender als die Entscheidungen zu fällen, ist es allerdings ihnen auch treu zu bleiben. Die Konsequenz, die nötig ist, um trotz aller Folgen der getroffenen Entscheidungen täglich am Ball zu bleiben, die ist anstrengend. Diese Erziehungsarbeit ist nach wie vor täglich eine Challenge für mich und konfrontiert mich immer wieder mit meinem „Erziehungsburnout“. Wie sich das genau zeigt, könnt ihr im gleichnamigen Blog Beitrag lesen.

Und meine aktuelle, ganz spezielle Challenge ist, wie ich bereits im letzten Blog Beitrag „kleine Kinder,  kleine Sorgen – große Kinder, große Sorgen“ ausführlich erzählt habe, meinen kleinen Liebling täglich in die Schule zu bekommen. Tag für Tag duellieren sich dabei jedes einzelne Mal mein Erziehungsburnout und meine Mutterliebe. Ich möchte nicht mehr täglich motivieren, argumentieren, Mut machen müssen und pädagogisch agieren. Ich habe es echt satt, sowas von. Am Liebsten möchte ich beim kleinsten Widerstand von Patty einfach sagen „Ok. Dann bleibst du eben zuhause“, wieder ins Bett gehen, mir die Decke über den Kopf ziehen und liegen bleiben. 

Ich bin dann ehrlich gesagt oft sogar ein bisschen neidisch. Warum kann Patrik mit so viel Konsequenz und Intensität auf seine Gefühle und seine Wünsche pochen und warum kann ich das nicht? Warum bleibt er, ohne Rücksicht auf Verluste, bei seiner Meinung das er krank ist, auch wenn er kein Fieber oder andere messbare Anzeichen auf Krankheit hat? … – so straight – und warum kann ich das nicht? Die Antwort ist eigentlich einfach: Weil ich es nicht gelernt habe. Erziehungsarbeit ist auch Schattenarbeit. Kinder spiegeln dir unaufgefordert und schonungslos deine Schatten, deine Themen.

Schattenarbeit

Einer meiner Lieblingssprüche, den ich immer wieder zitiere ist: „Mit einer Kindheit voller Liebe, kann man ein ganzes Leben aushalten“. Meine Kindheit war nicht voller Liebe. Sie war sehr ambivalent. Es gab wohl Tage voller Liebe, aber auch sehr viele Tage ganz ohne Liebe. Bedingungslose Liebe gab es in meiner Kindheit nicht. Ich musste funktionieren und ich habe Liebe nur für Leistung erhalten. Vielleicht kann ich heutzutage deshalb nicht immer mein ganzes Leben aushalten.

Ich habe schon sehr früh gelernt, dass meine Gefühle und meine Wünsche nicht so wichtig sind. Wichtiger war immer das große Ganze. So habe ich sehr lange meine Bedürfnisse zurück gesteckt zum Wohle meiner Mutter, zum Wohl meiner Geschwister, zum Wohl meiner Familie, zum Wohle meiner Kinder und zum Wohl meines Partners. So brüllt mein EGO daher immer wieder: „Wann komme endlich ich dran?“

Mittlerweile habe ich gelernt, dass auch meine Bedürfnisse wichtig sind. Eine meiner besten Freundinnen hat immer gesagt: „Nur wenn es der Mutter gut geht, kann es auch den Kindern gut gehen.“ So schaffe ich mir seit einiger Zeit konsequent Wohlfühlinseln im Alltag, damit es mir gut geht.

Meine Wohlfühlinseln

Ich starte meinen Tag mit Meditation – jeden Tag. Wenn ich die tägliche Challenge des Kampfes mit dem Titel „Schule oder nicht“ erfolgreich geschafft habe und Patrik tatsächlich in der Schule ist und ich wieder zuhause, dann belohne ich mich mit einer kurzen Yoga-Einheit. Wenn ich es nicht geschafft habe, tröste ich mich mit dieser kurzen Yoga-Einheit und belohne mich damit für meine Anstrengungen des Morgens. 

Unter der Woche richtet sich unser Tagesablauf ganz nach Patriks Bedürfnissen und ich surfe von Insel zu Insel. Meine Inseln heißen Meditation, Yoga, an der frischen Luft spazieren gehen und bei Musik oder Lesen entspannen. Meine kleinen Entspannungsspaziergänge an der frischen Luft mache ich meist in meiner Mittagspause. Gott sei Dank habe ich direkt vor meinem Zuhause ein Naturschutzgebiet, daher kann ich innerhalb von 5 Minuten mitten in der Natur sein – weit weg vom Alltag. Abends höre ich gerne Musik und singe dabei lauthals mit oder ich lese in Büchern oder absolviere Teile meiner Ausbildung, da ich etwa vor einem Jahr neben meinem Brotjob eine Coachingausbildung begonnen habe.

Am Wochenende ist dann auch Zeit für meine Wünsche. Fixer Bestandteil ist dabei das Ausschlafen. Patrik hat früh gelernt, dass ich meinen Schlaf brauche um für ihn da sein zu können, wenn er mich braucht. So läßt er mich ausschlafen und beschäftigt sich bereits seit Jahren am Wochenende morgens selbst. 

Ansonsten liebe ich es mit Freund*innen ins Kino und Essen zu gehen oder gemeinsam mit ihnen zu frühstücken. Aber auch Abende in Musicals oder ein Besuch im Museum macht mir Spaß. Seit einiger Zeit ist auch das ohne einen Babysitter möglich. Patrik hat gelernt für ein paar Stunden alleine zuhause zu sein und wenn er müde ist selbständig ins Bett zu gehen. Nur das Zähne putzen bleibt dann öfters auf der Strecke. Aber hey, soll sein.

Mutterliebe

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Und da kommt jetzt die Mutterliebe, die mein dämliches Ego anbrüllt: „Was willst du noch? Siehst du nicht wie toll sich Patrik trotz seines dramatischen Starts in sein Leben entwickelt hat? Warum vergißt du beim morgentlichen Kampf zum Thema ´Schule oder nicht´, was er schon alles geleistet und gelernt hat? Was er schon alles aushalten musste! Du weißt genau wo all seine Probleme und Ängste herkommen! Gerade du kennst seinen riesengroßen Rucksack voller Erfahrungen, die ihn zu dem gemacht haben, was er heute ist. Mach´ du es ihm nicht auch noch schwer! Du solltest für ihn da sein, ihm Sicherheit geben und mit ihm gemeinsam kämpfen – keinesfalls gegen ihn“.

Es ist jeden Tag ein Spagat zwischen der Mutterliebe, die versucht ihr Kind zu beschützen und es vor angstvollen Momenten zu bewahren, aber es dennoch stärken möchte, und dem Erziehungsburnout, das in mir nach Ruhe und Frieden schreit. Gerade derzeit ist es wirklich enorm fordernd und verlangt mir viel ab ruhig zu bleiben und nicht ungeduldig oder unfair zu werden.

Und dann ist da auch noch die Vernunft, die genau weiß dass die Schule wichtig ist. In der Schule hat mein PATMan Erfolgserlebnisse. In der Schule hat er Freunde und Aufgaben, die ihn fordern. Wenn er die Aufgaben meistert, stärkt das seinen Selbstwert. Und tatsächlich ist er ein Held, wenn er seine tägliche Angst überwindet und es schafft in die Schule zu gehen. Es ist eine tägliche Übung all seinen Mut zusammen zu nehmen und die Ängste zu überwinden. 

Achtsamkeit und Dankbarkeit

Und so versuche ich jeden Morgen daran zu denken was Patty schon alles gelernt und gemeistert hat, obwohl ein Großteil der Ärzte, Therapeuten und Lehrer eine Menge davon gänzlich ausgeschlossen hatte. Ich bemühe mich achtsam zu sein und mein EGO zu ignorieren wenn es mit Wörtern wie „ständig“, „immer“ oder „nie“ meinen inneren Frieden gefährdet. Dankbar halte ich mir vor Augen was Patrik mittlerweile alles selbständig und selbstverständlich durchführt. Ich kann in vielerlei Hinsicht sehr stolz auf ihn sein.

Es ist sehr einfach und verlockend sich über die Dinge zu beschweren, die nicht zu funktionieren zu scheinen anstatt sich darüber zu freuen, was sich bereits alles verbessert hat. Schlimmer geht immer und ein gesunder Ehrgeiz hilft uns es immer weiter zu versuchen. Aber Zufriedenheit trotz dem Wunsch nach Fortschritt zu kultivieren ist eine Kunst. Der Schlüssel zu innerem Frieden und somit gegen den inneren Krieg ist, meiner Erfahrung nach, Achtsamkeit und Dankbarkeit.

In diesem Sinne wünsche ich euch allen Frieden im Innen und im Außen. 🕊🌈❤️