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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Berufsvorbereitungslehrgang

Patty hat also nach 4 Jahren in der integrativen Mittelschule – und leider einigen unerfreulichen Erlebnissen – in den Berufsvorbereitungslehrgang gewechselt.

Abschied und Ungewissheit

Den ganzen Sommer davor war er wieder sehr nervös. Wieder hatte er keine Ahnung was ihn erwarten würde. Und da seine bisherige Erfahrung mit dem Schulalltag leider größtenteils negativ war – ich erinnere hier an das Mobbing durch die Lehrerinnen in der Volksschule, an die Mobbingattacke durch Schüler*innen in der Mittelschule und den Schiunfall am Schulschikurs – hielt sich seine Vorfreude verständlicherweise in Grenzen.

Er war sehr traurig, dass er sich von seiner Lieblingsbetreuerin, der herzlichen Motopädagogin, und ihrem Hund Jenny-Luna verabschieden musste. Auch verstand er nicht, warum seine Kolleg*innen aus dem Atelier in der Mittelschule bleiben durften und er wechseln musste. Ich versuchte ihm wohl zu erklären, dass es an seinem Alter lag und daran, dass er bereits 4 Jahre lang in der Mittelschule war, aber, da er keinen Zeitbegriff im üblichen Sinn hat, verstand er es nicht. Seine Kameraden aus dem Atelier waren größtenteils jünger als er und erst zwei Jahre in der Mittelschule. Doch dass war ihm wie gesagt nicht bewusst und auch einfach egal.

Erfreuliche Überraschung

Patrik erzählte, wie auch früher, nicht viel vom Schulalltag und so hatte ich anfangs keine Ahnung wie es so lief. Doch dann erlebte ich eine erfreuliche Überraschung: Mitte Dezember waren alle Eltern zu einer Veranstaltung abends in die Schule eingeladen. Die Jugendlichen hatten eine Präsentation über den Berufsvorbereitungslehrgang vorbereitet, in der sie konkret vorstellten was sie im BVL lernen wollten/sollten und wie sie dies taten.

Ich war gespannt, was mich erwarten würde und stellte mich darauf ein, dass mein PATMan wie üblich eher ruhig und zurückhaltend sein würde. Doch das Gegenteil war der Fall! Ich war begeistert! Patrik hatte mit einer Freundin, von der er bis dato nichts erzählt hatte, einen Teil der Präsentation übernommen und er machte dies wirklich prima! Ich sah meinen Sohn zum ersten Mal seit Jahren lachend, positiv und souverän. Ich konnte es kaum fassen!! Außerdem fiel mir sofort auf wie die beiden, also Patrik und die Freundin, flirteten. So süß! Er machte Witze und sie war sichtlich amüsiert von seinen Erzählungen. Die Beiden strahlten!

Berufsvorbereitungslehrgang

Patty mit seiner Freundin
Patty mit seiner Freundin

Ja, was soll ich sagen. Mein PATMan hatte also ab Dezember 2019 eine Freundin und ging total gerne zur Schule. Seine Mentorin bestätigte nach dem ersten Semester meinen positiven Eindruck und informierte mich, dass Patrik eine tolle Entwicklung durchgemacht hatte. Er erledigte Arbeitsaufträge zufriedenstellend und war für einige seiner Schulkolleg*innen eine große Hilfe. War er zu Beginn des Berufsvorbereitungslehrgangs wohl noch schüchtern, so blühte er ab Dezember so richtig auf und begann sich immer mehr einzubringen.

Für das zweite Semester war ein Berufspraktikum geplant und eine sogenannte Trainingswoche. In dieser sollten die Jugendlichen eine ganze Woche auf einer Selbstversorgerhütte, unter Aufsicht der Lehrer*innen, die Möglichkeit haben ihre erworbenen Schlüsselkompetenzen zu überprüfen bzw. zu festigen. Geübt bzw. gefestigt sollten demnach Teamfähigkeit, Selbständigkeit, Verantwortung und Ausdauer werden.

Vor der Trainingswoche wollten die Lehrer*innen mit den Jugendlichen gemeinsam das Programm für die Woche erarbeiteten, zusammen einen Essensplan für die gemeinsame Zeit erstellen und bereits vorab mit den Jugendlichen besprechen was sie erwarten würde.

Doch dann kam Corona …

Patty freute sich so sehr auf die Trainingswoche, da er mit seiner Freundin gemeinsam eine Woche weg gewesen wäre. Sie hätten gemeinsam eingekauft, gekocht, gegessen, gefeiert und die Gegend bei Wanderungen und Ausflügen mit ihren Schulkolleg*innen erkundet. Auch ich hatte mich sehr darauf gefreut, da ich sah wie mein PATMan aufblühte und endlich eine unbeschwerte, glückliche Zeit erlebte. Endlich mal erlebte er vieles was für Gleichaltrige selbstverständlich war.

Doch dann kam Corona. Mit 16.03.2020 startete der erste Lockdown und plötzlich war alles anders als geplant. Sowohl die Trainingswoche als auch das geplante Berufspraktikum mussten abgesagt werden und die Jugendlichen hatten bis zum Schulende des ersten Jahres des BVL nur mehr sehr wenige Schultage vorort. Selbst das Schulfest zum Ende des Schuljahres wurde abgesagt.

Der pädagogische Auftrag der Trainingswoche konnte daher nicht erfüllt werden. Er hatte wie folgt gelautet: Selbstständigkeitstraining, Übernehmen von Verantwortung in den eigenen Lebensbereichen (wie Körperpflege, Ordnung halten im persönlichen Bereich, Koordination von Ruhephasen und selbständiger Aufgabenerledigung in Abstimmung innerhalb der Gruppe) sowie Förderung von Sozialkontakten, Training von Zeitmanagement, eigene Grenzen kennen lernen und überwinden und vieles mehr.

Viel zu lange Ausnahmezustand

Wie wir alle wissen dauerte der Ausnahmezustand viel zu lange. Auch im folgenden Schuljahr, Pattys zweitem Jahr im Berufsvorbereitungslehrgang, mussten externe Berufspraktika abgesagt werden und die Trainingswoche fand wieder nicht statt. Das 2. Schuljahr im BVL war daher eine Aneinanderreihung von Soft-Lockdowns, Home Schooling, Hard-Lockdowns und vereinzelten Schulwochen vorort. Dies stellte eine spezielle Challenge für viele Kinder mit speziellen Bedürfnissen dar, so auch für meine PATMan.

Mittlerweile hatte Patriks Freundin einen Job in einer Werkstätte von Jugend am Werk bekommen. Sie war sehr froh darüber, da es genau das war was sie gerne machte und wofür sie auch die Kompetenzen hatte – ein Volltreffer also. Sie hatte das Glück, dass gleich aus ihrem ersten Praktikum eine Fixanstellung wurde. Wir freuten uns sehr für sie. Für meinen Patty war es danach allerdings nicht mehr ganz so lustig wie mit ihr. Wir versuchten jedenfalls privat viel Zeit zusammen zu verbringen, sofern es die Ausgangsbeschränkungen und sonstigen Einschränkungen aufgrund der Covid-Regierungsmaßnahmen zuließen.

Mein PATMan hatte bis zum Abschluß des 2. BVL-Jahres nur interne Praktika absolviert. Diese waren zur Festigung von bestehenden Kompetenzen und Erweiterung seiner Kompetenzen wichtig und hilfreich. So hatte er zum Beispiel ein internes Praktikum im schuleigenen Cateringbetrieb erfolgreich abgeschlossen. Der nächste geplante Schritt war somit ein externes Praktikum im Hinblick auf eine Festanstellung.

Dann der Schock!

Presseartikel
Artikel hierzu in der Presse am Sonntag am 01.05.2022

Patriks Mentorin rief mich ein paar Wochen nach den Semesterferien an und erzählte mir, dass es sein könnte, das Patty ab Herbst nicht mehr in die Schule gehen dürfe und daher arbeiten gehen müsse. Ich war außer mir! Am Tag der offenen Tür vor Pattys Start im BVL wurde uns versprochen, dass er 3 Jahre dort bleiben kann. Es wurde versprochen, das er 2x pro Jahr ein Praktikum und zusätzlich 1x pro Jahr die Trainingswoche absolvieren könnte. Also gesamt 6 Praktika und 3 Trainingswochen im BVL.

Erst nach der ersten Hälfte von den gesamt drei geplanten BVL-Jahren musste ich nun erfahren, dass es keine Garantie hierfür gab, sondern jedes Schuljahr, nach dem absolvierten 9. Schuljahr, von der Bildungsdirektion (vormals Stadtschulrat) einzeln pro Schüler genehmigt werden müsste. Bis dato waren diese Genehmigungen scheinbar immer eine Formsache gewesen, weshalb dies nicht erwähnt wurde. Doch mitten in Zeiten von Corona wurde hier plötzlich der Sparstift angespitzt! Unfassbar!

Es begann ein Spießrutenlauf für mich. Ich sammelte Fakten und versuchte über alle möglichen Wege unterschiedlichste Ansprechpersonen zu identifizieren. Diese auch zu erreichen war Knochenarbeit. Ich wurde ständig vertröstet, nicht durchgestellt oder nicht zurückgerufen. Zur tatsächlichen Veranwortlichkeit wollte sich auch niemand bekennen. Ich wurde immer wieder im Kreis geschickt und meine Mails blieben größenteils unbeantwortet. Aber ich kämpfte unaufhörlich um das letzte Schuljahr für meinen PATMan. Diesmal wollte ich keinesfalls aufgeben. Ich schwor mir: Patty würde drei Jahre ins BVL gehen!

Wie ich es schlußendlich geschafft habe und was ich dabei alles erleben musste, erfahrt ihr im nächsten Blog Beitrag.