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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Therapeuten & Testungen

In periodischen Abständen müssen wir zu Therapeuten & Testungen, um aktuelle Befunde erstellen zu lassen oder die vorhandenen zu besprechen. Diese Befunde sind erforderlich, um Therapien, die erhöhte Familienbeihilfe, das Pflegegeld oder einfach den Bescheid für die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs zu erhalten. 

Der Staat ist ein fürchterlicher Bürokratieapparat und es ist schwer bei all den Behörden und Ämtern die ständig wechselnden Zuständigkeiten zu kennen. Es ist schon immens schwierig herauszufinden was es für Möglichkeiten an Unterstützungen gibt oder was einem an Fördergeldern zusteht. Aber noch schwieriger ist es dann, diese auch zu erhalten. Österreich ist einfach eine Hochburg der Amtsschimmelreiterei. Es gibt leider unzählige Bürohengste mit Ärmelschonern, die ganz genau wissen was anderen keinesfalls zusteht. Und es gibt leider eine Menge angebliche Fachexperten, die sich anmaßen ein Kind besser einschätzen zu können als die eigene Mutter.

Erfahrungen

Wiener Sozialdienste, Zentren für Entwicklungsförderung
WS bietet mobile Frühförderung an, empfehlenswert

Wir mussten seit Patriks Geburt in diesem Punkt leider unzählige unerfreuliche, teils unglaubliche, Erfahrungen mit Korinthenkackern machen. Aber ich möchte betonen, dass es bei all den unmenschlichen und klugscheißenden Amtsschimmeln und Fachexperten, denen wir begegnen mussten, auch eine Menge warmherzige, mitfühlende und hilfsbereite Menschen gibt. Zum Glück durften wir auch hiervon ein paar wenige kennen lernen 😉.

klinische Psychologin

Eine besonders heftige Story ereignete sich bereits bevor mein PATMAN in den Kindergarten kam. Wir waren im Zuge der Entwicklungskontrollen des Krankenhauses zu einer klinischen Psychologin geschickt worden. Patty war damals noch fröhlich und freundlich. Er spielte mit dem vorhandenen Material. Zu dem Zeitpunkt war er noch unvoreingenommen, ich übrigens auch. Nach dem die Testung vorbei war, erklärte mir die Psychologin, dass ich einen schriftlichen Befund per Post erhalten würde. Sie könne aber schon vorab sagen, dass gewisse Therapien unbedingt erforderlich wären.

Da sie hier eine Menge aufzählte, sagte ich impulsiv, das das wohl auch einiges kosten würde. Sie antwortete entrüstet: „Na für SO ein Kind bekommen Sie ja sicher ohnehin genug Zuschüsse vom Staat. Das Geld sollen Sie für ihr Kind verwenden, nicht selbst versaufen!“ Ich war sprachlos. Erstens bekamen wir zu diesem Zeitpunkt keinerlei Zuschüsse und hatten noch nichts von erhöhter Familienbeihilfe oder Pflegegeld gehört. Zweitens – was nahm sich diese studierte Irre da heraus! Unfassbar! Ich war allerdings dermaßen überfahren, dass ich gar nichts entgegnen konnte. Was mir danach allerdings klar war, dass mir für meine spezielle Aufgabe tatsächlich Unterstützung, auch in finanzieller Hinsicht, zustand und dass ich mich nie wieder so behandeln lassen wollte!

Beim Kinderarzt

Die Wortwahl anderer Menschen ist leider oftmals unglücklich, selbst wenn diese Menschen es eigentlich gut meinen. So hatte ich zum Beispiel einmal eine interessante Unterhaltung mit einer Sprechstundenhilfe beim Arzt. Wir wollten einen Kontrolltermin für Patrik vereinbaren. Als ich auf ihren Terminvorschlag antwortete: „Das geht leider nicht, da muss ich arbeiten“ entgegnete sie mir im Affekt: „Mit so einem Kind gehen Sie arbeiten? Wieso denn das?“ Da musste ich leider entgegnen: „Ich wüsste nicht wie ich ohne einen Job meine Rechnungen bezahlen sollte“. Darauf entgegnete sie: „Die Ausländer kennen sich da sehr gut aus. Die gehen alle nicht arbeiten und sind von der Rezeptgebühr befreit“.

Therapeuten & Testungen

Kinderhilfswerk
Im Kinderhilfswerk waren wir sehr gut aufgehoben. Kann ich nur empfehlen Grinsen

Die Testsituationen waren jedenfalls in vielerlei Hinsicht anstrengend für Patrik und schwingten meist negativ nach. Denn was Patrik jedenfalls durch diese vielen Tests im Laufe seines Lebens gelernt hatte, war dass etwas mit ihm nicht stimmte. Es wurde ihm schon sehr früh vom Außen suggeriert, das er so wie er war nicht richtig war und das er anders sein sollte. Idealerweise sollte er funktionieren. Wenn jemand eine Frage stellte, dann erwartete dieser eine Antwort. Wenn ihm jemand eine Aufgabe stellte, hätte er sie lösen sollen oder zumindest glaubhaft demonstrieren, dass er es wenigstens versucht hatte.

Da es allerdings immer öfter den Anschein hatte, dass egal was Patty als Lösung oder Antwort anbieten würde, dies seinem Gegenüber ohnehin nicht gefiel, hörte er irgendwann auf zu antworten oder zu versuchen Aufgaben zu lösen. Er wollte oder konnte nicht wie gewünscht funktionieren und der gewünschten Norm entsprechen. Daher begann er von Testung zu Testung immer weniger kooperativ zu sein und irgendwann zeigte er einfach gar keine Leistung mehr auf „Befehl“.

So kam dann bei jeder Testung zwangsläufig heraus, dass er nicht entsprach. Denn wenn ein Kind in der Testsituation jegliche Kooperation verweigert, dann kann das Ergebnis des Tests klarer weise nur „NULL Punkte“ lauten. Ich war oft verzweifelt, wenn ich mit ansehen musste, wie Patrik absolut alles verweigerte, obwohl ich wusste dass er es eigentlich konnte. Und ich konnte nicht verstehen, warum er es nicht zeigen wollte! Irgendwann war er einfach nicht mehr zu motivieren – egal was ich versuchte. 

Resignation und Vermeidung

Patrik konnte diese Testsituationen relativ schnell erkennen und so brachte es auch nichts zu versuchen spielerisch Wissen oder Leistung aus ihm heraus zu kitzeln. Denn er erkannte sofort das es dem Gegenüber nicht um Spiel und Spaß ging. Er boykottierte somit nicht nur jegliche Tests sondern bald auch pädagogische Spiele. Mit der Zeit versuchte er dann auch „Publikum“ zu vermeiden und spielte am Liebsten alleine.

Das Problem war aber auch nicht immer nur die Testsituation per se, sondern die Art wie die angeblichen Experten, Therapeuten oder sogar Pädagogen ihn behandelten. Oft sprachen die Tester vor ihm mit mir über seine Leistung oder besser Nicht-Leistung. Als wenn er gar nicht anwesend wäre, oder es ohnehin nicht „checken“ würde, erklärten sie mir was er alles nicht oder nur verzögert konnte und was sie daraus schließen würden. Selbstverständlich hätte ich hier einschreiten können, einschreiten müssen! Aber ich muss zugeben, dass ich leider viel zu spät erkannt habe was das anrichtete.

Vorverurteilung durch eine Psychologin

Besonders einschneidend war die Testung zu Feststellung des Entwicklungsstandes meines PATMANs vor der Einschulung. Wir mussten mit dem Testergebnis beweisen, dass Patrik einen Integrationsplatz in einer Integrationsklasse benötigt. Gut – sowas ist grundsätzlich klar, in einem Rechtsstaat muss es auch eine gewisse Bürokratie geben, damit das System halbwegs funktioniert. Das war auch nicht der Punkt.

Das Grausame an der Geschichte war, dass die Psychologin, die den Test damals durchführte, mir bei der Befundbesprechung sehr überheblich zu verstehen gab, dass mein Kind quasi einen IQ vergleichbar mit einer leeren Scheibe Toastbrot hätte. Sie war sich sicher, dass  er niemals lesen, schreiben oder rechnen können würde. Wahrscheinlich würde er nicht mal alleine leben können und ich sollte mich rechtzeitig um Einrichtungen umschauen, die für ihn geeignet wären.

Diese extrem „empathische“ Person wollte mir bloß nicht unnötig Hoffnung machen und mich pflichtbewusst darauf vorbereiten, dass ich nur ja nicht zu viel von meinem Sproß erwarten würde, das gäbe bloß Enttäuschungen. Ein Leben, wie ich es mir für meinen Sohn vorstellte, könnte ich mir ihren Aussagen nach jedenfalls aus dem Kopf schlagen. Sie wollte keinesfalls, dass ich in diesem Punkt Illusionen hatte. DAS hat sie jedenfalls gut gemacht. (Sarkusmus off)

Verunsicherung und Traurigkeit

Heute, nach all den Jahren und Erfahrungen, sehe ich die Sache ganz anders. Aber damals war ich extrem verunsichert und immens traurig. Natürlich hatte ich Zweifel, ob diese angebliche Fachfrau Recht hatte – woher wollte sie das so genau wissen? Wie konnte sie so vieles für meinen Sohn schon damals gänzlich ausschließen? Er war ja erst sechs Jahre alt! Allerdings blieb die Angst, dass sie schlussendlich doch Recht behalten würde, als dunkle Stimme lange Zeit in mir aufrecht.

Sie behielt nicht Recht. Patty hat lesen und schreiben gelernt. Er kann sogar – zumindest im Zahlenraum 20 – rechnen. Und er ist ja auch jetzt noch nicht mal 18 Jahre alt! Wie ich immer zu sagen pflege: „Bist du alt wie eine Kuh, lernst du immer noch dazu!“ Mein PATMAN hat ja noch Zeit. Ich denke er wird mindestens noch vier Mal so alt, wie er jetzt ist. Da kann er doch noch alles mögliche lernen und ich finde man sollte nichts generell ausschließen!

Schlussendlich

VKKJ
VKKJ bietet unzählige Therapiemöglichkeiten auf Krankenkassenverrechnung an

Abgesehen von all dem schulischen Kram hat mein PATMAN eine Menge drauf! Er passt immer noch nicht in den „Regelplan“ und wird es vielleicht auch niemals tun. Aber er ist ein sehr liebevoller, empathischer Junge. Er ist tierlieb, hilfsbereit und hat im Berufsvorbereitungslehrgang viele Freunde gefunden. Er hat eine Menge Fantasie und ist musikalisch.

Und tatsächlich hat er Fähigkeiten, die viele Gleichaltrige leider nicht haben. Mein PATMAN kann sehr gut auf seine seelische Gesundheit achten. Er kennt seine Grenzen und überschreitet sie nicht. ER würde niemals in ein Burnout schlittern. Generell ist er eher vorsichtig, aber das ist heutzutage sicher kein Nachteil.

Dass er wenig kooperativ ist und schwer zu motivieren hat meiner Meinung nach auch mehr mit der Pubertät zu tun als mit seiner Anamnese. Schlussendlich hat er seit März 2020 leider unter den Nachwirkungen von Covid 19 und den diesbezüglichen Maßnahmen gelitten. Das und die Reaktion anderer Menschen auf ihn hat ihm mehr geschadet als die Frühgeburtlichkeit.