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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Freunde

Nach dem Zwischenfall bei Jugend am Werk SEEBOGEN bin nicht nur ich krank geworden, sondern auch Patrik. Am Montag hat er hohes Fieber bekommen. Er hat so lange gefiebert, dass sich seine Rückkehr zu JAW ALPHA verzögert hat. So hat er nun, wie bereits berichtet, zusätzliche zwei Fehltage verbraucht. Allerdings hat er trotz unserer geplanten Urlaube noch fünfzehn Tage „frei“. Somit werden wir kein Problem haben, selbst wenn er noch drei Mal krank wird. Alles in allem also nicht so schlimm.

Am Montag war es also so weit. Patrik hat wieder bei Jugend am Werk ALPHA gestartet. Wir waren beide etwas nervös und kannten den neuen Standort zuvor nicht. Wir sind ein bisschen früher losgefahren, um keinesfalls zu spät zu kommen. Als wir an der neuen Adresse ankamen, haben wir Jugend am Werk leider nicht sofort gefunden. Das neue Gebäude ist noch nicht beschriftet und an dem Standort gibt es einige neue Gebäude in ähnlicher Größe. Gott sei Dank erspähten wir Jugendliche, die wir zumindest bereits vom Sehen kannten, und folgten ihnen. So haben wir unser Ziel erreicht.

Rückkehr in die Einsteigergruppe

Einsteiger*innengruppe
Einsteigergruppe

Als wir dann im Gebäude ankamen waren ein paar Jugendliche bereits in den Räumlichkeiten. Sie habe sich über die Rückkehr Patriks gefreut und uns sehr freundlich alles gezeigt: die neue Garderobe und die neuen Gruppenräume. Patty ging eine Weile auf und ab, während ich mich mit Filip unterhielt. Er ist ein sehr warmherziger Junge in Patriks Alter. Wir haben ein Weilchen geplaudert und als das Gespräch dem Ende zu ging hat sich Filip bei mir für das Gespräch bedankt. Ich war sprachlos und gerührt.

Die Jugendlichen in der Einsteigergruppe sind so dankbar und warmherzig. Es freut mich immer, wenn ich die Zeit habe mit ein oder zwei von ihnen ein bisschen zu plaudern. Ich merke, dass sie das genießen und mich macht es glücklich zu sehen, wie sie dabei aufblühen, wenn sie erzählen. Ich finde es auch bemerkenswert wie hilfsbereit die meisten von ihnen sind. Da können sich manche Erwachsene in der Branche, in der ich hauptberuflich arbeite, eine Scheibe abschneiden.

Feedback & Gewichtsbalance

Fortan habe ich meinen PATMAN wieder täglich morgens zum Standort gebracht und ihn kurz nach 15 Uhr wieder abgeholt. Er hat leider bis dato nicht erzählt, wie es gelaufen ist bzw. wie es ihm gefallen hat. Er schweigt konsequent. Am Dienstag wurde Patrik von seinem Vater abgeholt und auch er hat leider nichts aus ihm herausgebracht. 

Dienstagnachmittag hat Patty dann mit seinem kleinen Bruder verbracht. Sie haben gemeinsam gegessen und gespielt. Patrik isst jetzt Gott sei Dank wieder deutlich mehr und wird so hoffentlich recht bald wieder das Gewicht aufholen, dass er aufgrund seiner Krankheit verloren hat. Momentan ist er leider wieder sehr dünn. Ihn zum Frühstücken zu bringen, gelingt mir derzeit leider noch nicht, aber ich bin frohen Mutes, dass wir das nächste Woche hinbekommen werden. 

Feedbackgespräch mit Betreuer

Am Ende seiner ersten Arbeitswoche bei ALPHA habe ich ein Gespräch mit Patriks Betreuer geführt. Er hat mir berichtet, dass die Woche ohne Zwischenfälle verlief. Es war also zumindest mal ein guter Start. Allerdings beteiligt sich Patrik nach wie vor zu wenig an den Aufgaben, die die Gruppe zu erledigen hat. Es gäbe die Möglichkeit Postgänge zu übernehmen oder Fertigungsarbeiten auszuführen. Mittwochs wird immer gekocht. Leider hat Patty noch gar kein Interesse an alle dem gezeigt. 

Jugend am Werk ALPHA
Jugend am Werk ALPHA

Das Problem liegt daran, dass Patrik sehr fixiert auf eine Kollegin ist und am liebsten alles mit ihr machen würde. Als Patty im Berufsvorbereitungslehrgang mit Iris befreundet war, hat er mit ihr gemeinsam sehr viele Aufgaben übernommen und Aufträge gut erledigt. Leider haben sich ihre Wege dann getrennt. Ich habe den Eindruck, dass er ein Mädchen sucht, mit dem er das wieder erleben kann. 

weibliche Freunde

Allerdings hat die Kollegin bei ALPHA einen festen Freund und daher verbringt sie selbstverständlich alle Pausen mit ihm und möchte auch sonst nicht alles mit Patrik machen müssen. Das ist vollkommen verständlich, aber leider ist mein PATMAN, ohne sie kaum zu etwas zu motivieren. Ein zweites Mädchen aus der Gruppe versucht auch aus Gefälligkeit Patty mit ein zu beziehen. Wenn sie das tut, dann macht Patrik bei den Aufgaben mit. Ohne die Mädchen beteiligt er sich aber leider gar nicht. 

Ich habe versucht mit meinem PATMAN darüber zu sprechen. Wie so oft verlief das Gespräch sehr einseitig, nichts destotrotz war es wichtig, dass Patrik mir zumindest zu gehört hat. Der stete Tropfen höhlt den Stein. Und so versuche ich das Thema immer wieder aufs Tableau zu bringen. 

Freunde & feste Freund*innen

Patty mit Iris
Patty mit Iris

Immer wieder erkläre ich ihm den Unterschied zwischen einem Freund*einer Freundin und einem festen Freund*einer festen Freundin. Nun hat Patrik ja seit Iris sich nicht mehr gemeldet hat weder eine feste Freundin noch andere Freunde. Er ist nicht dazu zu bringen sich mit anderen Jugendlichen anzufreunden. Vor männlichen Kollegen hat er nach wie vor so großen Respekt, dass er den Kontakt meidet. Begründet ist das sicher durch seine negativen Erfahrungen in seiner Mittelschulzeit. Damals wurde er ja leider nicht nur gedemütigt und gehänselt, sondern auch verprügelt. Davon hat er sich scheinbar immer noch nicht erholt. Immer noch macht er einen großen Bogen um Jungs.

Die Jungs in der Einsteigergruppe sind aber so ruhig und hilfsbereit, dass ich denke er hat nichts zu befürchten. Wenn er aber nicht zumindest einen klitzekleinen Schritt auf die männlichen Kollegen zugeht, dann kann es nicht zu Freundschaften kommen. Es ist so schade, denn ich glaube, dass ihm das immens helfen würde. Würde er in der Einsteigergruppe zumindest einen Freund finden, würde ihm das Sicherheit geben und gemeinsam mit dem Freund würde er sicher endlich in die Gänge kommen. Es bricht mir das Herz mit ansehen zu müssen, dass er aufgrund seiner Ängste und Schüchternheit so gar nicht zeigt, was er alles kann.

Mir ist vollkommen klar, dass ich keine Freundschaften für ihn erzwingen kann, aber ich möchte ihn jedenfalls ermutigen und ihn dabei unterstützen. Ich spreche daher sehr oft mit ihm über das Thema Freundschaften und hoffe, dass es irgendwann „klick“ macht. Ich wünsche mir so sehr, dass er Freunde findet. Freunde tragen einen ein stückweit durchs Leben, wenn man selbst gerade keine Kraft hat.