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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

ständiges Auf und Ab

Nach wie vor verläuft Patriks Entwicklung in Wellen. Oft habe ich das Gefühl, es geht immer einen Schritt vor und dann wieder mindestens zwei Schritte zurück. Es ist zermürbend. Es ist ein ständiges Auf und Ab.

Fasching mit der Familie

Montags wurde Patty von meinem Bruder abgeholt, da ich länger arbeiten musste. Geplant war eine kleine Rosenmontag-Faschingsjause für Patrik mit seinen Cousins. Es gab Krapfen und gemischte Beeren. Mein Bruder und meine Schwägerin hatten sich große Mühe gegeben es für meinen PATMAN angenehm zu gestalten. Dennoch hat Patrik sich nach kurzer Zeit einfach angezogen und im Vorzimmer darauf gewartet, dass ich ihn abhole.

PATMAN als Bowser
PATMAN als Bowser

Ich hatte schon vorher die Befürchtung, dass der Nachmittag nicht wie geplant laufen würde, da Patty lieber zuhause bleiben wollte. Aber sein Vater und ich hatten darüber gesprochen und beschlossen, dass es eine gute Gelegenheit für Patrik wäre sich im Umgang mit Menschen zu üben. Gemeinsam Zeit verbringen, plaudern, gemeinsam etwas essen und vielleicht Spiele spielen – wie könnte man das besser üben als in der eigenen Familie? Immerhin sollte er bei Jugend am Werk ja ähnliches tun. Mit den Kolleg*innen sprechen, gemeinsam essen und gemeinsam spielend Fertigkeiten erlernen. Der Plan war gut, die Absicht erst recht. Aber die Realität war leider wieder enttäuschend.

wieder dieses destruktive Verhalten

Mein PATMAN hatte dasselbe Verhalten gezeigt, wie in der Einsteigergruppe. Er hatte es immer nur sehr kurz geschafft mit seinen Cousins im selben Raum zu sein. Immer wieder flüchtete er dazwischen ins Schlafzimmer oder zur Toilette. Auch wenn er anfangs immer wieder ins Wohnzimmer zurückkam, merkte mein Bruder das Patty sich immer unwohler fühlte und wegwollte. Als er dann angezogen im Vorzimmer stand und abgeholt werden wollte, hat mein Bruder ihn nach einem versuchten Gespräch nachhause gefahren. Es hätte ja keinen Sinn gemacht es noch weiter hinauszuzögern, mit den anderen hätte er sich ja ohnehin nicht beschäftigt.

im Bett, Decke übern Kopf
Decke übern Kopf

Abends habe ich versucht mit meinem PATMAN zu sprechen, ohne Erfolg. Er wollte einfach nur möglichst schnell ins Bett und schlafen. Ich hatte ihn noch gefragt, wie es bei Jugend am Werk gelaufen ist und ob er seinen Vorschlag für das gemeinsame Kochen von Lasagne mit der Gruppe eingebracht hatte. Er deutete mit Gesten, dass er es gemacht hätte. So dachte ich, dass wenigstens das geklappt hat. Aber ein Gespräch über den Nachmittag mit seinen Cousins war unmöglich. Er zog sich die Decke über den Kopf und ignorierte mich.

wieder ein klärendes Gespräch

Am Mittwoch habe ich dann schon wieder einen Anruf von Pattys Betreuern erhalten. Sie haben mir erzählt, dass die Situation nach unserem Gespräch noch schlimmer geworden ist. Montag und Dienstag hatte er gar nicht gesprochen und nicht mal versucht sich mit Gesten zu verständigen. Er hatte keinerlei Kooperationsverhalten gezeigt und sich immer wieder in der Garderobe versteckt. Leider hat er gar nichts gemacht außer Cola getrunken.

Ich war außer mir! Eigentlich hatte ich gedacht, dass das Gespräch von letzter Woche Früchte getragen hat und dass mein PATMAN endlich verstanden hatte, was auf dem Spiel steht! Vor allem war ich aber sehr enttäuscht, weil er mich belogen hatte. Montagabend hatte ich wie gesagt bezüglich des Rezeptvorschlags für das gemeinsame Gruppenkochen am Mittwoch nachgefragt und er hatte es zumindest abgenickt. Daher dachte ich er hatte es gemacht. Nun erfuhr ich, dass er nichts gesagt hatte.

Moralpredigt

Als ich ihn an diesem Tag nach der Arbeit von Jugend am Werk abgeholt habe, haben wir die gesamte Autofahrt darüber gesprochen. Ich habe ihm ganz klar gesagt, dass es nun tatsächlich seine allerletzte Chance ist! Wenn er erneut ein Fehlverhalten an den Tag legen würde, könnte die Standortleitung von Jugend am Werk ALPHA ihn rausschmeißen! Dann müsste er wieder zu Jugend am Werk SEEBOGEN. Das wollte er nicht. Er wollte doch unbedingt zu ALPHA.

Zusätzlich bestand die Gefahr, dass er auch bei Jugend am Werk SEEBOGEN rausfliegen würde und dann hätte ich ehrlich gesagt keine Ahnung, wo ich ihn dann noch unterbringen könnte. Es gibt wohl noch andere Standorte, die sind dann aber sowohl mit dem Auto als auch später für Patrik mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer erreichbar.

Fahrtentraining

Er ist mittlerweile auf der Warteliste für das Fahrtentraining. Wenn das mal startet, sollte er nicht mehr Standort wechseln. Aber darüber wollte ich noch nicht mit ihm sprechen, da ich das Gefühl hatte, dass ihm das bevorstehende Fahrtentraining Angst machte. Dennoch wird das Training nötig sein, damit er selbständiger wird und mein Alltag wieder erträglicher. Die täglichen Fahrten zum Standort und wieder zurück kosten mich sehr viel Zeit und da ich beruflich gerade eine sehr intensive Zeit erlebe, ist es eine echte challenge alles unter einen Hut zu bekommen.

Doch zurück zu meinem Gespräch mit meinem PATMAN. Abgesehen davon, dass er jetzt endlich etwas lernen muss und zeigen sollte, dass er Fertigkeiten erlernen möchte, musste ich ihm klar machen, dass ein Verstoß gegen die Standortregeln auch rechtliche Konsequenzen haben könnte. Es ist bis dato Gott sein Dank noch nichts passiert, aber im schlimmsten Falle könnte jemand verletzt werden, wenn er im Affekt Dinge durch die Gruppe wirft. Dies könnte eine Anzeige zur Folge haben oder Schlimmeres. Ich versuchte ihm auch das sehr genau zu erklären.

Erziehung versus Erpressung

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Auf Anraten meines Ex-Mannes hin erzählte ich ihm auch, dass dieser mittlerweile sehr verärgert war. Er hatte angedroht, dass Patrik zu ihm ziehen müsste, wenn die Situation nicht bald besser werden würde. Selbstverständlich wollten wir das beide nicht. Ich kann mir einfach immer noch nicht vorstellen, dass mein PATMAN eines Tages ausziehen wird. Seit 18 Jahren sorge ich für ihn und versuche ihn so gut es geht zu unterstützen. Ich mache das mit sehr viel Liebe und Verständnis, weil ich denke, dass negative Motivation oder sogar Erpressung nichts mit Erziehung zu tun hat. Ihn zu bestrafen, fällt mir ehrlich gesagt schwer und es hat in der Vergangenheit auch nie etwas gebracht, außer dass ich mich danach schlecht fühlte.

So versuchte ich Patrik weiterhin mit viel Liebe klarzumachen, dass ich mir immense Sorgen um seine Zukunft machte und ihm nur helfen wollte. Wenn er aber nicht mit mir sprechen würde und mit mir zusammenarbeiten würde, dann könnte ich ihn nicht unterstützen und auch nicht vor etwaigen Konsequenzen beschützen. Egal was passiert, ich kann ihm nur helfen, wenn ich Bescheid weiß! Und das versuchte ich ihm klarzumachen.

Zusammenfassend

Nach den ausführlichen Schilderungen meinerseits wiederholte ich nochmals, dass es immens wichtig war, dass er mit den anderen Teilnehmern der Gruppe sprechen würde. Noch wichtiger war es allerdings sich an die Standortregeln zu halten, mit den Betreuern zu sprechen und auch mit mir. Er musste zeigen, dass er wollte und was er konnte. Ich fragte ihn abschließend erneut, ob er das nun endlich verstanden hatte und seine allerletzte Chance nun nutzen würde. Er antwortete: „JA.“ Danach ließ ich ihn in Ruhe entspannen und spielen. Das Gesagte sollte sich setzen können.

Am nächsten Tag berichtete er mir, dass die Einsteigergruppe einen Ausflug gemacht hat. Er ist brav bei der Gruppe geblieben und hat mit den Betreuern gesprochen. Als er mir von dem Ausflug erzählte, war er sehr gelöst und ich denke auch ein bisschen stolz. Es hatte ihm scheinbar sogar Spaß gemacht und er hat mit den Anderen gemeinsam Nudelsalat gegessen. Ich war überglücklich. Endlich ein reeller Erfolg. Und nun hoffe ich, dass es tatsächlich endlich bergauf geht. Ich wünsche mir so sehr, dass mein PATMAN endlich ankommt und die Freude am Leben wieder findet.