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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Mobilität

Vor nur sechs Monaten war alles anders und ich war sehr verzweifelt. Mittlerweile hat sich mein PATMAN, wie berichtet, sehr gut entwickelt. Er spricht wieder mehr und nimmt auch immer mehr am Familienleben teil. Selbstverständlich erfolgt das in kleinen Schritten, aber es geht voran. Next step ist nun seine Mobilität.

Ein Freund, ein guter Freund

Die Freundschaft mit William tut ihm sehr sehr gut. Wenn ich Patrik von Jugend am Werk abhole, erzählt er mir mittlerweile fast täglich was er tagsüber mit William oder den anderen Kolleg*innen aus der Einsteigergruppe erlebt hat. Nächsten Mittwoch kommt uns William besuchen. Patty hat ihn eingeladen und ich werde die Jungs gemeinsam von Jugend am Werk abholen, sodass sie den Nachmittag dann bei uns verbringen können. Ich bin schon sehr gespannt wie das laufen wird. Patrik hat mir bereits eine kleine Einkaufsliste hierfür gegeben. Er braucht für das Treffen mit seinem Freund Oreos, Maoam, Cola und Essen von Mc Donalds. Vermutlich werden sie gemeinsam Switch spielen oder zusammen YouTube Videos schauen.

Freunde

Auch Williams Mama ist sehr froh, über die Freundschaft der Beiden. Sie hat mir erzählt, dass William zuhause nichts von dem erzählt, was er bei Jugend am Werk erlebt, weswegen sie sehr froh war einiges von mir zu erfahren. Als ich ihr erzählt habe, dass die beiden gemeinsam einkaufen gehen, hat sie sich gefreut. Ich habe die zwei auch schon gemeinsam malen gesehen und nach Pattys Erzählungen machen sie grundsätzlich alles zusammen.

William

William ist seit September in der Einsteigergruppe und sehr still. Die Betreuer haben mir gesagt, dass er stark autistisch ist und nicht spricht. Patrik sagt aber, dass er mit ihm sehr wohl spricht. In jedem Fall haben sie einen Weg gefunden miteinander zu kommunizieren. Täglich wenn ich Patty abhole, sehe ich, wie sie sich umarmen oder Schulter klopfend verabschieden und sie sehen beide sehr glücklich aus.

Williams Mama hat mir erzählt, dass er alle Wege selbständig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bewerkstelligt. Daher wird er nach dem Besuch bei uns allein mit dem Bus nachhause fahren. Ich fände es großartig, wenn Patrik sich davon animieren lässt auch die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Bis dato habe ich ihn überall hingebracht und auch wieder abgeholt. Den Fahrtendienst nutzen wir seit einem sehr unangenehmen Erlebnis nicht mehr.

Als mein PATMAN eingeschult wurde, habe ich ihn täglich zur Schule gebracht und nachmittags um 15.30h wieder abgeholt. Besonders morgens war das eine ziemliche Hetzerei, zumal auch Philip zur Schule musste und ich anschließend zur Arbeit fahren musste. Eines Tages, als ich wieder mal vollkommen aufgelöst bei der Schule ankam, hat mich Patriks Lehrerin darauf angesprochen, ob ich Interesse am Fahrtendienst hätte.

Fahrtendienst

Nachdem alle bürokratischen Schritte erledigt waren, ist Patrik täglich vom Fahrtendienst zur Schule und auch wieder nachhause gebracht worden. Das lief eine Zeit lang gut. Die ersten größeren Probleme gab es dann in der Mittelschulzeit nach Pattys Schienbeinkopfbruch. Solange er den Gips am Bein hatte, transportierte ihn der Fahrtendienst nicht, da Schüler mit Verletzungen rechtlich nur von Krankentransporten befördert werden dürfen. Somit musste ich Patrik damals nach seinem Krankenstand bis zu den Sommerferien wieder selbst transportieren.

Als er dann wieder mit dem Fahrtendienst fahren konnte, gab es immer wieder Probleme. Patrik wollte am liebsten vorne sitzen, damit ihm nicht schlecht wurde. Aber die Fahrer meinten es wollen auch mal andere Kinder vorne im Auto sitzen, was verständlich ist. Zusätzlich haben sich die Fahrer untereinander immer in ihrer Muttersprache unterhalten und Patty konnte daher nicht verstehen, wovon sie sprachen. Das hat ihn verunsichert.

Fahrtendienst

Ich hatte dann in der Zentrale des Fahrtendienst angerufen und darum gebeten, dass die Fahrer vor den Kindern nur deutsch sprechen, damit diese sie verstehen können. Leider haben sich die Fahrer nicht darangehalten. Trotzdem ich mehrmals darum gebeten habe und die Sachbearbeiter in der Zentrale immer wieder versichert haben, dass sie es an die Fahrer weitergeben, hat es leider nicht funktioniert.

folgenschwerer Vorfall

Dann eines Tages als Patrik bereits im Berufsvorbereitungslehrgang war, wurde er morgens nicht abgeholt. Wir waren rechtzeitig bereit, aber der Wagen kam nicht. Nachdem wir schon eine halbe Stunde gewartet hatten, rief ich in der Zentrale der Fahrer an. Eine Dame erklärte mir, dass der Wagen schon bei uns wäre und ich Patrik schon rausschicken konnte. So zog Patrik seine Schuhe und seine Jacke an, schnappte seinen Rucksack und ging nach draußen.

Es war ein sehr kalter Tag und es regnete in Strömen. Ich war an diesem Tag im Home-Office, so ging ich in mein Büro und setzte mich zu meinem Schreibtisch. Nach mehr als einer halben Stunde klingelte es plötzlich an der Tür. Es war Patrik, der eiskalt war und zitterte. Er fragte mich, ob er bei mir auf den Fahrtendienst warten dürfte. Ich war außer mir! Patrik hatte also die ganze Zeit über an der stark befahrenen Straße in eisiger Kälte gewartet. Der Fahrer war noch nicht da und kam auch nicht. Da es in unserer Straße keinen Gehsteig gibt, war das durchaus gefährlich.

Ich rief also wieder in der Zentrale des Fahrtendienstes an, um nachzufragen, warum noch immer kein Wagen da war und wann der Fahrer nun endlich kommen würde. Diesmal war ein Mann am Apparat. Er war sehr aufgebracht und schrie mich an, dass er keine Ahnung hätte, wo die Fahrer wären, da das Computersystem ausgefallen war. Ich versuchte ruhig zu bleiben und erklärte ihm, dass mir vor mittlerweile etwa 45 Minuten eine Dame erklärt hatte, dass Patrik schon vor die Tür kommen könnte, da der Fahrer bereits hier wäre. Er entgegnete, dass er nicht verstehen konnte, wie sie das sagen konnte, da das Computersystem bereits den ganzen Tag außer Betrieb wäre.

Ärgernis

Nun war ich auch verärgert. Ich sagte ihm, dass mir eigentlich egal sein könnte was sie für technische Probleme hätten, aber dass es unverantwortlich war mein behindertes Kind an der stark befahrenen Straße ohne Gehsteig in eisiger Kälte warten zu lassen. Außerdem musste er zur Schule und ich wollte wissen, wann er nun endlich abgeholt werden würde. Er erwiderte, dass er gar nicht abgeholt werden könnte und fragte mich, ob ich ihn nicht selbst zur Schule fahren könnte.

Also das war ja die Höhe! Ich erklärte ihm, dass ich arbeiten musste und daher den Fahrtendienst benötigen würde. Wenn ich die Fahrten übernehmen würde, hätte ich einen Verdienstentgang. Das interessierte ihn nicht. Er wiederholte unbeeindruckt, dass heute kein Fahrer fahren konnte und ich daher Patrik zur Schule bringen sollte. Nach längerem Wortwechsel gab ich auf und brachte meinen PATMAN doch selbst zur Schule.

im Bett, Decke übern Kopf

Am nächsten Tag war Patrik krank. Er hatte starken Husten, Schnupfen und Fieber. Mich verwunderte das nicht, stand er doch viel zu lange wartend in der Kälte. So konnte er wieder mal eine ganze Woche nicht zur Schule und das wäre definitiv zu verhindern gewesen. Daher habe ich mich dann beim Fahrtendienst aufgrund dieses Vorfalls beschwert.

Beschwerde

Ich habe vorgebracht, dass ich beim ersten Telefonat eine falsche Auskunft bekam aufgrund derer mein Sohn dann zig Minuten unbeaufsichtigt an einer ungesicherten, stark befahrenen Straße stand und ich dann beim zweiten Telefonat auch noch angeschrien wurde wegen technischer Probleme und schlechter Organisation des Fahrtendienstes. Aber was dem Ganzen die Krone aufsetzte war, dass sich bis heute niemand dafür entschuldigt hatte und mein Kind nach dem Vorfall krank wurde.

Aufgrund meiner Beschwerde hat sich dann der Fahrdienstleiter bei mir entschuldigt, aber es änderte leider nichts daran, dass Patrik danach nicht mehr mit dem Fahrtendienst fahren wollte. Wir haben es noch ein paar Mal ausprobiert, aber es endete immer wieder in einem Desaster. Entweder mein PATMAN wehrte sich und wollte erst gar nicht einsteigen, oder er ließ die Fahrten einen Tag lang über sich ergehen und wollte am nächsten Tag dann gar nicht mehr zur Schule.

Mobilität

Seitdem bringe ich Patrik überall selbst hin und hole ihn auch wieder ab. Außer sein oder mein Vater können die Fahrten übernehmen. Das muss selbstverständlich immer rechtzeitig organisiert werden und macht Patrik abhängig. Daher hoffe ich, dass nun bald das Fahrtentraining beginnen kann. Patty ist bereits auf der Warteliste, aber wir haben leider noch keine Information darüber wann gestartet wird.

Jedenfalls hoffe ich, dass Patrik nun endlich offener für das Thema eigenständiges Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln wird. Nun hat er ja seinen Freund William, der hier ein gutes Beispiel ist. Ich hoffe das motiviert meinen PATMAN und hilft ihm bei seiner Mobilität.