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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Bedarfserhebung

Die Bedarfserhebung für das betreute Wohnen haben wir abgeschlossen. Je nach Einstufung werden wir Angebote erhalten und dann entscheiden.

Bedarfserhebung

Das Bedarfserhebungsgespräch für das betreute Wohnen hat also stattgefunden. Es verlief recht angenehm. Die Dame von “Fonds Soziales Wien” war sehr ruhig und hat uns alles genau erklärt. Sie hat selbstverständlich sehr viele Fragen gestellt, immerhin muss ja der Bedarf von meinem PATMAN ermittelt werden. Wir mussten also unzählige Fragen dazu beantworten, was er alles allein kann und wobei er Hilfe benötigt. Dabei ging es um so Sachen wie: “Was würde er im Brandfall machen?” Oder “kann er sich selbst etwas zu Essen machen?”, “Kann er sich selbst Arzttermine vereinbaren?”, etc.

Das Ziel war sehr genau einschätzen zu können, welche Leistungsstufe für Patrik die richtige wäre. Hierbei geht es um Tätigkeiten im Haushalt, im Bereich Gesundheit und Arbeit. Im Zuge des Gesprächs ist mir erst aufgefallen, wie viele Tätigkeiten ich eigentlich selbstverständlich und teilweise automatisch für ihn übernehme. Manchmal geschieht dies aus Zeitnot, immerhin bin ich nun mal deutlich schneller dabei als er, und oftmals denke ich nicht mal darüber nach. Ich stecke oft so sehr in meinem Hamsterrad, in Automatismen und Routinen, dass ich gar nicht auf die Idee komme, meinen PATMAN mit einzubeziehen. Das ist ein Fehler.

Reflexion nach Bedarfserhebung

So habe ich mir, nach dem Gespräch zur Bedarfserhebung vorgenommen, einige Dinge zu ändern und viel öfter darüber nachzudenken, was ich tatsächlich übernehmen muss oder nicht. Vor allem ist mir bewusst geworden, was wir noch alles üben sollten, bevor Patrik dann tatsächlich ausziehen wird. Ich bin ganz sicher, dass er noch eine Menge lernen kann und je mehr wir schaffen, desto weniger Unterstützung wird er dann schlussendlich im Betreuten Wohnen benötigen.

Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Teilbetreutem Wohnen und Vollbetreutem Wohnen. Und dann gibt es noch die Kategorisierung nach Leistungsstufen. Sobald die Leistungsstufe feststeht, erhalten wir ein Schreiben vom Fonds Soziales Wien. Wir sollen dann die Leistungsträger bekannt geben, für die wir uns interessieren. Es gibt 25 unterschiedliche Leistungsträger, aus denen wir wählen können. Es sind nicht alle geeignet für Patrik, aber ganz schön viele. Zu den Bekanntesten zählen Jugend am Werk, die Lebenshilfe Wien, die Sozialwerke Clara Fey und die Caritas.

Entscheidung

Kreativgruppe

Sobald wir uns für Leistungsträger entschieden haben, erhalten wir laufend Angebote für freie Plätze. Diese können wir uns dann ansehen und entscheiden, ob sowohl das Angebot der Betreuung als auch die Örtlichkeit für ihn passend sind. Da wir noch nicht wissen, wie es beruflich für meinen PATMAN weiter geht, wird es in der nahen Zukunft noch schwierig werden zu entscheiden. Immerhin ist er immer noch beim Kompetenztraining und dabei herauszufinden in welche Richtung es schlussendlich gehen soll. Solange er in der Einsteigergruppe ist, ist es schwer zu sagen, wo er später täglich arbeiten wird.

Bis August 2026 muss die Entscheidung, wo Patrik schlussendlich arbeiten wird, gefallen sein, da er insgesamt maximal vier Jahre in der Einsteigergruppe bleiben kann. Aufgrund der Ressourcenprobleme bei Jugend am Werk wäre den Betreuern selbstverständlich lieber, dass es schneller ginge. Doch ich möchte meinem PATMAN die Zeit geben, die er braucht, um eine Entscheidung zu treffen. Ich gehe davon aus, dass es jetzt bald wieder ein Gespräch zwischen Patrik, den Betreuern und mir geben wird, da das letzte Gespräch schon wieder länger her ist. Dabei werde ich dann erfahren, wie es weiter gehen soll.

Einsteigergruppe

In der Kreativgruppe hat es meinem PATMAN leider doch nicht gefallen, obwohl er dies ursprünglich unbedingt machen wollte. Aber scheinbar hatte er es sich anders vorgestellt. Da Patrik mittlerweile täglich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, kann er endlich Botengänge übernehmen. Das wollte er beim letzten Gespräch unbedingt ausprobieren. Ich denke, dass ihm das gut gefallen wird und er es auch gut kann. Teilweise müssen die Jugendlichen hierbei zwar bis ans andere Ende der Stadt fahren, aber mein PATMAN ist jetzt schon sehr sicher im öffentlichen Verkehr und weiß sich auch zu helfen, wenn etwas nicht nach Plan verläuft. Diese Hürde ist somit geschafft.

Wie bereits im letzten Blog berichtet, bin ich immens stolz, wie sehr er sich in diesem Jahr verändert und entwickelt hat. Noch vor einem Jahr war so vieles nicht möglich, was jetzt beinah selbstverständlich ist. Fantastisch! Ich freu mich so sehr für ihn. Die Freundschaft zu William gibt ihm so viel Sicherheit und hat ihm geholfen endlich wieder wachsen zu können. Ich habe immer nach dem Motto gelebt “Freunde tragen dich durchs Leben”. Selbstverständlich ist jeder eigenverantwortlich, aber die Liebe und Unterstützung von echten Freunden setzt Kräfte in dir frei, die gewaltig sind.

Ein wirklich guter Freund

Freunde

Umso mehr freue ich mich, dass mein PATMAN auch endlich einen wirklich guten Freund hat, der gerne mit ihm Zeit verbringt. Schon morgen wird Patrik nach der Arbeit mit William nachhause fahren und bei ihm übernachten. Am nächsten Tag fahren sie dann gemeinsam zur Arbeit. Das ist eine Art neue Freiheit für meinen PATMAN. Er blüht so richtig auf. Das ist es, was ich mir so lange für meinen Sohn gewünscht habe.

So gut sich Patrik nun entwickelt, so sehr merke ich aber, dass es mir gar nicht so leicht fällt, loszulassen. Das hätte ich nicht gedacht. Jahrelang war ich in so vielen Momenten überfordert, mutlos und unsicher. Dann habe ich mir immer gewünscht, dass Patrik selbständiger wird.  Ich hatte nach all dem, was mein PATMAN teilweise so schmerzvoll erleben musste, immer das Gefühl ich muss ihn beschützen. Ich dachte, ich muss ihn vor noch mehr Leid bewahren. Zeitgleich war mir schmerzhaft bewusst, dass ich es ohnehin nicht kann. Das Mobbing durch die überforderte Lehrkraft in der Volksschule konnte ich nicht verhindern, ebenso wie die tätlichen Übergriffe der Jugendlichen in der Mittelschule.

Loslassen

Und das ist das eigentliche Paradox: Trotzdem ich weiß, dass ich ihn ohnehin nicht vor allem und jedem beschützen kann, so sehr ich mich auch bemühe, fällt es mir schwer loszulassen. Und das mir! Ich dachte immer ich wäre unkonventionell und cool, eine “Hippie-Mama”. Konservative Regeln gab es bei mir nie. Mir war immer nur wichtig, dass meine Kinder sich geliebt fühlen und glücklich sind. Ich habe sie so gut es ging dabei unterstützt ihren Weg zu gehen, egal wie der aussehen möge. Konservative oder konventionelle Ziele waren mir dabei gänzlich unwichtig. Mir ging es immer um Freiheit und Liebe. So. Und nun kann ich nicht loslassen. Das passt doch gar nicht zusammen, oder?

Scheinbar habe ich ein Problem damit darauf zu vertrauen, dass Patrik im betreuten Wohnen gut aufgehoben ist. Ich tu mir schwer damit, daran zu glauben, dass er dann endlich seine Stimme findet und für sich spricht. Und ich denke das das nötig sein wird. Wie sonst soll ein Bedarf, den er hat, erkannt werden? Ehrlich gesagt, könnte es sein, dass er sehr wohl bereit wäre, aber ich bin es nicht. Mir ist schmerzlich bewusst, dass ich noch nicht dafür bereit bin, dass mein PATMAN auszieht. Noch nicht. Es ist für mich derzeit völlig unvorstellbar.

Naja, … glücklicherweise mahlen die Mühlen der Behörden und Institutionen in diesem Land ohnehin sehr langsam. Da werde ich hoffentlich noch Zeit genug haben, Vertrauen in die Situation zu erlangen. Und diese Zeit werde ich dafür nutzen meinen PATMAN so gut es geht auf den Auszug aus seinem Nest vorzubereiten.