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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Betreuergespräch

Letzte Woche hat nun das Betreuergespräch bei Jugend am Werk stattgefunden. Das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit war ich vor einem Betreuergespräch nicht nervös. Mein PATMAN hat sich so gut entwickelt und in den letzten Wochen so viel gemeistert. Daher war ich sehr ruhig und gelassen. Ich wusste einfach, diesmal kann nichts Schlimmes auf uns zukommen.

Einstieg ins Gespräch

Patriks Vater konnte leider aufgrund eines unvorhergesehenen familiären Ereignisses nicht teilnehmen. Doch diesmal war ich sicher, das Patty und ich das ohnehin alleine schaffen. Ich war sehr ruhig und ließ größtenteils die Betreuer und Patrik sprechen. Zu Beginn wurde mein PATMAN gefragt, was er denn so in der Einsteigergruppe macht und was er davon gerne machen würde. Für Patriks Begriff hat er viel gesprochen und er hat tatsächlich jede Frage beantwortet. 

Er erzählte von Ausflügen, die die Gruppe gemeinsam gemacht hatte, vom gemeinsamen Einkaufen und vom Essen. Ich erfuhr, dass er mittlerweile täglich mit ging in den Speisesaal, um mit den anderen Teilnehmern zu essen. Bis dato aß er zwar nur das mitgebrachte Essen, aber immerhin ging er mit der Gruppe mit und sie verbrachten die Pause gemeinsam. Auch war ich sehr froh darüber, dass Patrik mittlerweile mittags etwas aß. 

Essen

Seit geraumer Zeit gebe ich Patrik morgens zwei Sandwiches mit. Eines für ihn und ein Sandwich gibt er William, seinem Freund. Frühstück isst er immer noch nicht, aber immerhin hungert er nicht mehr bis 16 Uhr nachmittags, wie noch vor etwa zwei Monaten. Das ist schon ein gewaltiger Schritt. Er isst also mittags mit William Sandwiches und wenn ich ihn dann nachmittags abhole, beginnt er gleich zu essen und hört meist bis zum Schlafen gehen nicht mehr damit auf. Da er immer noch sehr dünn ist und wenn er krank ist, nach wie vor kaum etwas isst, verträgt er das allerdings leicht und gut. 

Das Einkaufen funktioniert mittlerweile auch recht gut. Ab und an geht er in der Pause mit Kolleg*innen der Einsteigergruppe einkaufen. Ich merke das daran, dass er die gekauften Süßigkeiten mit nachhause bringt. Leider isst er sie zwar nicht, aber er kauft ein und er macht das mit Kolleg*innen gemeinsam. Schritt für Schritt tauscht er seine gewählte Einsamkeit gegen Gesellschaft. Das freut mich besonders.

Gartenarbeit

Gartenarbeit

Ein Mal pro Woche fährt die Gruppe gemeinsam auf eine Parzelle, auf der sie gemeinsam Obst und Gemüse angebaut haben. Dort wird Unkraut gezupft, gegossen, gepflegt und hoffentlich bald geerntet. Das macht Patrik zwar nicht unbedingt Spaß, aber er ist dennoch dabei und macht mehr oder weniger mit. 

Wie bereits berichtet hat mein PATMAN mittlerweile auch bei ein paar Auftragsarbeiten mitgemacht. Wie die Betreuer berichteten, war das aber sehr selten aus Eigenantrieb und sollte jedenfalls besser werden. Patrik soll sich öfter selbst melden, wenn die Arbeit aufgeteilt wird und er sollte auch selbst Vorschläge machen. Leider macht er das bis jetzt nicht. Aber ich bin sicher, auch das wird sich bald bessern.

Zukunft

Da nun bald das erste Jahr in der Einsteigergruppe vorbei ist, sollte schön langsam in anderen Gruppen oder Einheiten geschnuppert werden, um herauszufinden wo und wie Patriks Weg weitergehen kann. In der Einsteigergruppe kann er leider nicht für immer bleiben, wie der Name bereits vermuten läßt. Laut Bestimmungen kann ein Jugendlicher längtens vier Jahre in dieser Gruppe bleiben, besser wäre kürzer.

Die Betreuer haben Patty daher gefragt, was er sich für seine Zukunft vorstellen könne. Er hat lange überlegt und dann gemeint er würde gerne Botendienste machen. Das kann er derzeit aber leider nicht, da er noch nicht alleine mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann. Das hat uns thematisch wieder zum Fahrtentraining gebracht. 

Fahrtentraining

Leider gibt es für das erforderliche Fahrtentraining derzeit keine Ressourcen. Patrik steht wohl auf der Warteliste, aber vor ihm sind noch einige Kolleg*innen auf der Liste und es gibt wohl nicht mehr so viele Fahrtentrainer wie früher. Daher hat man uns ans Herz gelegt, das innerhalb der Familie abzudecken. Ehrlich gesagt bin ich nicht sicher, wie wir das machen sollen, aber es muss wohl sein. Die Betreuer hatten Philip, Patriks großen Bruder, vorgeschlagen. Das geht aber gar nicht. Immerhin hat er sein eigenes Leben, studiert und hat auch noch einen Nebenjob. 

Patriks Vater und ich arbeiten beide in einer Vollzeitbeschäftigung, die uns jeweils wöchentlich 40-50 Stunden beschäftigt. Aufgrund der örtlichen Trennung ist es außerdem fast unmöglich, dass Patrik das Fahrtentraining mit seinem Papa macht. Daher bleibe wohl wieder nur ich übrig. Ich habe mir bereits mögliche Routen angesehen, die man in kleinen Schritten üben kann. Allerdings kann ich dann täglich erst um 9 Uhr zu arbeiten beginnen und muss dementsprechend täglich bis abends arbeiten, um auf meine erforderlichen Arbeitstunden zu kommen. 

Selbständigkeit für Botendienste

Selbstverständlich könnte ich auch einfach warten, bis Patrik dann doch für das subventionierte Fahrtentraining von Jugend am Werk an der Reihe ist. Aber ich habe leider keine Ahnung wie lange das dauert. Und ohne die Fähigkeit erlangt zu haben, sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln relativ autonom zu bewegen, kann er die gewünschten Botendienste nicht erledigen. Und da dies sein Wunsch ist, werde ich versuchen ihn dabei zu unterstützen. 

Wiener Netze

Ich kann nicht abschätzen wie lange es dauern wird, bis mein PATMAN selbständig von zuhause zu Jugend am Werk ALPHA und nachmittags auch wieder zurück fahren kann. Dennoch möchte ich es versuchen. Step by step wird es schon funktionieren. Und Schritt für Schritt wird es Patrik Selbstsicherheit und mir ein bisschen mehr Flexibilität geben. Immerhin spare ich mir die Taxidienste, wenn ich mit dem Fahrtentraining erfolgreich bin. Alleine für mehr Selbtsicherheit Patriks lohnt es sich jedenfalls. 

Wenn mein PATMAN diesen wichtigen Schritt gemacht hat, dann kann er wie gesagt die Botendienste erledigen und er hat in dem Betreuergespräch ausgemacht, dass er als Nächstes in der Küchengruppe schnuppern möchte. Da bin ich ja gespannt. Im Berufsvorbereitungslehrgang hat er bereits für die hauseigene Catringfirma gearbeiten und war für seine Verhältnisse sehr erfolgreich. Es hat ihm damals auch Spaß gemacht, allerdings waren die Aufgaben dort deutlich anders als in der jetzigen Küche. 

Schnuppern

Dennoch hoffe ich, dass das Schnuppern gut funktionieren wird und er in dieser Zeit gute Erfahrungen machen wird, die ihn weiter bestärken. Seit Februar hat er sich so sehr verändert, ist wieder offener geworden und bemüht sich wirklich sehr, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Im Vergleich zu den Hürden, die wir seit dem Start bei Jugend am Werk ALPHA nehmen mussten, waren die letzten Wochen richtiggehend leicht. Daher bin ich zuversichtlich, dass dieser Aufwärtstrend sich fortsetzt und mein PATMAN schlussendlich doch noch sein gesamtes Umfeld mit seinen Fortschritten überrascht. 

patman2

Bei allem was er seit seiner Geburt erleben musste, hat er sich rückblickend betrachtet wirklich sehr gut entwickelt und ich bin immens stolz auf ihn. Sein Weg war kein leichter und auch wenn wir durch einige Tale der Tränen gehen mussten, ist es immer wieder bergauf gegangen. Und ich gebe nicht auf. Niemals. Ich werde ihn weiterhin auf seinem Weg begleiten und so gut es geht unterstützen. Und eines Tages werden wir gemeinsam zurückblicken und über all die challenges lachen können. Da bin ich sicher.