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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Betreutes Wohnen

Seit einiger Zeit beschäftigt mich Betreutes Wohnen. Ist mein PATMAN schon bereit dafür? Wo und wie wäre es möglich?

Eigentlich wollte ich über das Fahrtentraining berichten, aber wir mussten es unterbrechen, da Patrik wieder krank war. Diesmal konnte er eineinhalb Wochen nicht zu Jugend am Werk. Er hatte eine Art Sommergrippe. Husten, Schnupfen und Fieber wechselten sich ab. Ehrlich gesagt ist er immer noch nicht gesund, aber er kann nicht so lange zuhause bleiben. Immerhin hat er ja nur fünfzig Fehltage gesamt für ein Kalenderjahr zur Verfügung. Der Husten hält sich hartnäckig, aber dennoch war er diese Woche wieder täglich bei Jugend am Werk. Wir konnten das Fahrtentraining somit wieder aufnehmen, aber darüber berichte ich euch ein ander Mal.

Betreutes Wohnen

Seit dem letzten Blog-Beitrag beschäftigt mich nämlich etwas ganz anderes. Ich denke über Betreutes Wohnen nach. Auch wenn ich weiß, dass mein PATMAN noch nicht so weit ist, muss ich mich doch schön langsam damit auseinandersetzen. Es dauert eine Weile einen geeigneten Standort zu finden und wie üblich gibt es Wartezeiten aufgrund von Ressourcenthemen. Daher habe ich zumindest einmal begonnen zu recherchieren. Leider gestaltete sich das allerdings schwierig.

Auf den ersten Blick gibt es eine Menge Einrichtungen für ältere Menschen, Wiedereinsteiger nach Gefängnisaufenthalten oder nach erfolgreichem Entzug. Betreutes Wohnen für Jugendliche in Patriks Alter und mit ähnlichen Erfahrungen, wie die die er gemacht hat, habe ich aber nicht gefunden. Es gibt Einrichtungen für Kinder und wie gesagt für Erwachsene mit Sucht- oder Gewaltvergangenheit. Ebenso gibt es eine Menge Angebote für ältere Menschen, die nicht mehr allein wohnen können. Aber für Jugendliche, die NOCH nicht allein wohnen können, habe ich bis jetzt nichts gefunden.

Privatzeit mit Gleichaltrigen

on the way

Im Gespräch mit Patriks Betreuerin in der Einsteigergruppe von Jugend am Werk habe ich erfahren, dass dies von vielen Eltern beklagt wird. Hier gibt es scheinbar eine Lücke im System. Grundsätzlich kann Patty ja ohnehin noch sehr sehr lange bei mir wohnen. Also ich schmeiße ihn sicher nicht raus! Aber ich denke mir in letzter Zeit des Öfteren, dass es wichtig für seine soziale Entwicklung wäre auch seine Freizeit mit Gleichaltrigen zu verbringen. Die Jugendlichen in der Einsteigergruppe sind aber alle nicht an Treffen nach der Werkstatt, also in der Privatzeit, interessiert. Ich denke aber das dies wichtig wäre und in einer Art WG wäre das möglich.

Ich muss schon zugeben, dass es mir schwer fällt mir vorzustellen, dass mein PATMAN auszieht und ohne mich wohnt. Es gibt immer noch eine Menge Dinge, bei denen ich ihn täglich unterstützen muss bzw. an die ich ihn zumindest erinnern muss. Wer soll das machen, wenn er nicht mehr bei mir wohnt? Dabei geht es um Körperpflege und so „Kleinigkeiten“ wie täglich Zähne putzen. Zu Essen und zu Trinken nimmt er sich ohnehin selbständig, wenn er Hunger oder Durst hat. Aber an Köperpflege denkt er nicht. Für mich ist es eine sehr grausame Vorstellung, dass ihn fremde Menschen daran erinnern müssten, weil er bereits unangenehm riecht oder verwahrlost aussieht.

Aus Fehlern lernt man

Es heißt „Aus Kindern, die nichts dürfen, werden Erwachsene die nix können.“, aber wir wollen unsere Kinder doch auch beschützen und für sie nur das Beste. Als Elternteil versucht man die Kinder vor negativen und schmerzhaften Situationen und Erfahrungen zu bewahren, allerdings müssen sie auch ab und an mal Fehler machen, um zu lernen. Wo und wie man dabei los lässt und sie „einfach machen lässt“ ist nicht immer leicht zu entscheiden. Ich finde das ist oftmals ein sehr schmaler Grat.

Zumal es hierfür auch keine Regeln gibt. Jeder Mensch ist individuell und jedes Kind macht seine Entwicklungsschritte in seinem individuellen Tempo. Daher ist es oft sehr schwierig zu sagen, was ist dem Kind bereits zuzutrauen und was nicht. Bei Patrik fällt mir das leider oft besonders schwer. Ich habe manchmal den Eindruck, als ob ich jegliche Intuition im Hinblick auf sein Wohl durch die permanente Einmischung von Ärzten, Therapeuten und Pädagogen verloren habe.

Zusätzlich sind wir als Eltern oft so sehr in unseren Alltag, in Routinen, verstrickt, dass wir vollkommen automatisch Dinge für unsere Kinder erledigen und gar nicht merken, dass sie das bereits selbst könnten. Mein Philip hat in solchen Momenten immer selbst aufgezeigt, dass er keine Hilfe benötigt und schon in sehr früher Kindheit seine Autonomie selbst eingefordert. Patrik ist allerdings ein anderer Charakter und begehrt bis heute selten auf, wenn jemand selbstverständlich Arbeiten für ihn übernimmt. Er lässt sich grundsätzlich gerne unterstützen und auch bedienen. So muss ich umso achtsamer sein im Alltag mit ihm, um zu erkennen, wenn Unterstützung nicht mehr erforderlich ist. 

Selbständigkeit

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In einer WG mit Gleichaltrigen hätte mein PATMAN soziale Kontakte und könnte daran wachsen, das halte ich für sehr wichtig. Soweit ich weiß, ist die Unterstützung im betreuten Wohnen allerdings zeitlich begrenzt und beinhaltet auch nur bestimmte Bereiche. So werden die Jugendlichen bei der Hausarbeit oder beim Einkaufen unterstützt, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass jemand darauf achtet, dass die Jugendlichen sich regelmäßig waschen und Zähne putzen. Daher denke ich, dass Patrik noch nicht so weit ist sein Zuhause zu verlassen.

Nichtsdestotrotz muss ich mich informieren und ihn in geeigneten Einrichtungen anmelden. Hierfür ist noch eine Menge Recherche erforderlich und das nimmt ganz schön viel Zeit in Anspruch. Derzeit muss ich allerdings ohnehin viel Zeit für das Fahrtentraining verwenden. Täglich fahre ich fast zwei Stunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die Hälfte davon mit Patrik. Zusätzlich brauche ich aber noch eine Stunde, um ihn nach seiner Arbeit mit dem Auto abzuholen. Somit bin ich täglich drei Stunden mit Patriks Fahrtzeit zu bzw. von der Arbeit weg beschäftigt. Das stresst mich enorm. Und lässt mir im Alltag auch nicht viel Zeit übrig, um auch noch bezüglich des betreuten Wohnens zu recherchieren.

Loslassen

All das ist derzeit sehr fordernd für mich und so versuche ich meine Wochenenden so gut es geht für meine Entspannung und Freizeitgestaltung zu nutzen. Am besten kann ich beim Sport abschalten, weshalb ich derzeit sehr oft Inline-Skaten gehe oder versuche kurze Wege mit dem Fahrrad zu erledigen. Die Bewegung an der frischen Luft brauche ich einfach für mein Seelengleichgewicht und zur Entspannung. Der Austausch mit Freund*innen ist mir aber auch schon immer sehr wichtig gewesen und so genieße ich den Sommer mit vielen Treffen in Strandbars oder Outdoorlokalen.

Das Zeit Management ist aber kein Thema für mich, das hatte ich schon immer sehr gut im Griff. Die Koordination zwischen Patriks und meinen Terminen ist zwar ab und an challenging aber es gibt immer eine Lösung und belastet mich nicht. Das Loslassen ist meiner Meinung nach das Schwierigste an der Erziehung meines PATMANs, und zwar aus den bereits genannten Gründen. Aber es ist wie gesagt nun Mal nötig, sonst kann er nichts lernen und keine Fehler machen. Diese Fehler sind aber essenziell damit Wachstum möglich ist. Und ich habe mir geschworen, dass ich meinen PATMAN so gut es geht bei seiner Entwicklung unterstützen werde, sodass er alle Möglichkeiten ausschöpfen kann und das maximale Wachstum möglich wird.