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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Ein spektakulärer Unfall

Kaum dass mein PATMan sich von der Mobbingattacke erholt hatte, hatte er einen spektakulären Unfall am Schulschikurs. Die Diagnose lautete Schienbeinkopfbruch.

Der nächste Schock

Wie bereits berichtet, hatte Patrik im zweiten Schuljahr der Mittelschule mit Mobbing zu kämpfen. Das Ganze kam erst heraus, als ich die Nachwirkungen von einem tätlichen Übergriff entdeckte. Sein kompletter Oberschenkel war vollkommen blau. Es hatte den Anschein, als ob Patrik am Boden liegend getreten worden war.

Das Team der Lehrer*innen verstärkte nach dem Vorfall zwar die Gangaufsicht und behielt Patrik besser im Auge, aber er war gesamt sehr schreckhaft und schüchtern geworden. Wenn ihm jemand zu Nahe kam oder zu laut wurde, riss er automatisch seine Arme hoch und versuchte sein Gesicht bzw. seinen Kopf so zu schützen. Er ging den Schulkolleg*innen aus dem Weg und verbrachte seine Schulzeit so gut es ging ausschließlich mit den Kindern aus dem Atelier.

Dann, im zweiten Semester, der nächste Schock. Patrik war mit seiner Klasse auf Schulschikurs und ich wollte die „freie“ Woche genießen, als ich plötzlich von einer Lehrerin angerufen wurde. Ich sollte so rasch wie möglich ins Krankenhaus in Wiener Neustadt kommen. Die Lehrerin war mit Patrik gerade in einem Rettungswagen auf dem Weg dorthin, da Patty einen spektakulären Schiunfall hatte.

Der spektakuläre Unfall und die Folgen

Ich sprang also sofort ins Auto und fuhr Richtung Wiener Neustadt, wo mein Patty im Krankenhaus auf die Erstuntersuchung wartete. Während der Autofahrt informierte ich Patriks Vater über den Unfall und bat ihn nachzukommen. Auch Philip musste Bescheid wissen, dass ich vermutlich länger nicht nachhause kommen konnte und er sich um Luna kümmern musste.

Genaueres zum Unfallhergang wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Daher ging mir alles mögliche durch den Kopf. Als ich im Krankenhaus ankam, wurden erstmal alle erforderlichen Daten von Patrik und mir aufgenommen und dann brachte mich eine Krankenschwester endlich zu meinem PATMan. Er sah furchtbar aus: kreidebleich und vollkommen erschöpft lag er in einem Krankenhausbett. Sein Bein war vollkommen verdreht und er hatte fürchterliche Schmerzen.

Die Lehrerin erzählte mir den Unfallhergang – soweit sie ihn rekonstruieren konnte. Patrik hatte wohl verkantet und stürzte. Der rechte Schi blieb im Schnee aufrecht stecken und Patty kippte schräg vorne über. Da leider die Bindung nicht aufging knickte das Bein auf Höhe des Schienbeinkopfs zur Seite und Pattys Körper landete im Schnee. Das rechte Knie wurde dadurch vollkommen unnatürlich verdreht. Er schrie fürchterlich und wurde so rasch wie möglich von der Bergrettung geborgen und ins Tal gebracht.

Erstuntersuchung

Sobald ich also bei meinem kleinen Schatz war, sollten die Untersuchungen starten. Wir mussten entscheiden, ob wir stationär in Wiener Neustadt bleiben wollten, oder in ein anderes Krankenhaus überstellt werden sollten. Im Krankenhaus in Wiener Neustadt hätte Patrik alleine mit anderen Patienten in einem Zimmer bleiben müssen und ich hätte mir in der Stadt irgendwo ein Zimmer nehmen sollen, da trotz unserer Privatversicherung kein Mutter-Kind-Zimmer zur Verfügung gestellt werden konnte. Ausgeschlossen! Ich hätte ihn keinesfalls alleine gelassen!

Wir erfuhren dann von den Ärzten, dass ein MRT vom Knie gemacht werden sollte, um die Verletzung besser einschätzen zu können. Hierfür musste Pattys Bein allerdings zuvor gerade gebogen werden. Da mein PATMan aber schon bei der leichtesten Berührung fürchterlich schrie, bestand ich darauf, dass er vor der Untersuchung Schmerzmittel oder eine leichte Sedierung erhalten sollte.

MRT

Patty hatte ja in der Vergangenheit leider bereits öfters Eingriffe erdulden müssen, für die er sediert wurde. Daher wusste ich dass ein erdbeerroter Saft helfen würde – ein sogenanntes Dormikum. Die Ärzte meinten, dass sie hier in der Unfallambulanz leider kein Dormikum zur Verfügung hätten. Unbeirrt bestand ich dennoch mit Nachdruck darauf, dass es besorgt werden müsste und so konnte es dann doch von der Kinderstation „ausgeborgt“ werden – na bitte. Frau muss nur hartnäckig bleiben 😉

Mittlerweile war auch mein Ex-Mann eingetroffen. Gerade zur rechten Zeit. Patrik bekam das Dormikum und es sollte sein Knie mit einer Orthese gerade gestellt und fixiert werden. Trotzdem das Beruhigungsmittel bereits zu wirken begann, wehrte sich Patrik mit letzter Kraft und wir mussten ihn zu Dritt festhalten, sodass ein Arzt mit einem Pfleger gemeinsam die Orthese anlegen konnte.

Dann sollte das erforderliche MRT gemacht werden. Patty begann durch das Dormikum immer lethargischer zu werden. So konnte das MRT gsd ohne Zwischenfälle durchgeführt werden. Wir mussten eine Weile auf das Ergebnis warten und erfuhren dann die Diagnose: Schienbeinkopfbruch. Dh. die oberste Stelle des Schienbeins, auf der der Oberschenkelknochen aufsaß, schien gebrochen zu sein. Auf der Bruchstelle hatte sich ein sehr großes Hämatom gebildet. Durch den Unfall hatte sich dort eine Menge Blut gesammelt, weshalb das Knie sehr stark geschwollen war.

Transport nach Wien

Da die Orthese für das MRT bereits angebracht worden war, konnten wir sofort nach dem MRT mit dem Krankenwagen nach Wien, ins UKH Lorenz Böhler gebracht werden. Patrik war mittlerweile sehr stark sediert und wurde auf einer Transporttrage in den Krankenwagen gebracht. Ich saß, gut gesichert, neben ihm und hielt seine Hand. Der Krankenwagen fuhr mit Blaulicht Richtung Wien. Patriks Papa fuhr mit meinem Auto hinterher.

In Wien angekommen wurden wir stationär in einem Privatzimmer aufgenommen. Aufgrund Pattys Zusatzversicherung durften wir den Aufenthalt in trauter Zweisamkeit in einem Zimmer mit eigenem Bad verbringen. Mein PATMan war vollkommen erledigt und schlief die ganze Nacht durch.

OP

Am nächsten Tag war die OP für früh morgens geplant. Nüchtern wurde Patty daher recht zeitig zum OP gebracht. Ich durfte gsd bis kurz vor der Narkose bei ihm bleiben. Da Patrik eine fürchterliche Angst vor Spritzen hat (wie bereits im Arikel: Schule kann Spaß machen erzählt), bekam er wieder erst das Dormikum und erst als er bereits sehr lethargisch war, wurde der Venenzugang gesetzt. Kurz bevor er in den OP gebracht wurde und die Narkose durchgeführt wurde, musste ich aus dem Vorbereitungsraum in den Warteraum wechseln. Die Ärzte sagten mir, es würde etwa eineinhalb Stunden dauern.

Als mein PATMan dann nach einer gefühlten Ewigkeit, bereits mit Oberschenkelgipshülse, aus dem OP gebracht wurde, erzählten mir die Ärzte, dass die Verletzung gsd harmloser war als zuvor angenommen. Sie hatten im OP zuerst über eine Drainage das Blut aus dem Knie abgesaugt und danach festgestellt, dass es sich um keine massive Fraktur handelte, sondern nur ein Fragment des Schienbeinkopfs ausgerissen war. Daher war davon auszugehen, dass die Heilung mittels Stabilisierung per Gips gut und rasch erfolgen würde.

Schulalltag mit Handycap

Patrik mit dem Gips beim Üben mit Krücken zu gehen
Patrik mit dem Gips beim Üben mit Krücken zu gehen

Patrik musste den Gips fast vier Monate lang tragen! Dazwischen wurde ein paar Mal umgegipst. Da allerdings jeder Gips immer vom Knöchel bis hinauf unters Becken, also über den gesamten Unter- und Oberschenkel verlief, war er motorisch stark eingeschränkt. Er schlief am Sofa und konnte nur mit Krücken langsam aufs WC gehen. Seine Luna war stets bei ihm.

Nach ein paar Wochen Krankenstand für Patty und Pflegurlaub für mich, ging er trotz Gips wieder zur Schule. Der Fahrtendienst transportierte ihn leider nicht, da sie mir erklärten dass sie für Krankentransporte nicht zuständig waren. So musste ich ihn täglich zur Schule fahren und auch wieder abholen. Er bekam von den Lehrer*innen den Schlüssel für den Schulaufzug und sie sorgten auch dafür, dass er das gegipste Bein hochlagern konnte. Das funktionierte gsd sehr gut und seine Mitschüler*innen nahmen in dieser Zeit Rücksicht auf seine Situation.

Dann, ganze fünfzehn Wochen nach dem Unfall, sollte der Gips abgenommen werden. Patrik wurde vollkommen hysterisch und weigerte sich den Arzt an seinen Gips heran zu lassen. Er wollte den Gips unbedingt behalten. Ich konnte mir sein Verhalten anfangs nicht erklären, doch dann sagte er: „Wenn ich keinen Gips mehr habe, sind alle wieder gemein zu mir!“ 😔

Ellenslange Therapie

Patrik mit der Motorschiene

Nachdem der Gips dann doch abgenommen wurde, startete die Therapie. Patrik bog sein Knie selbständig gar nicht mehr ab. Er ließ das vormals eingegipste Bein ständig steif. Anfangs sogar im Schlaf. Wir bekamen daher eine Motorschiene für das langsame Training des Kniegelenks zuhause. Patty musste täglich 20 Minuten lang an der Motorschiene sitzen und sein Knie wurde dabei durch die Schiene automatisch bewegt.

Zusätzlich bekam er eine Physiotherapie zur Mobilisation im UKH Lorenz Böhler verschrieben. Zwei Mal wöchentlich fuhren wir nachmittags zur Therapie und zwar für mehr als 6 Wochen. Zu Beginn der Therapie wollte Patrik gar nicht mitmachen und verweigerte jegliche Kooperation. Der Therapeut ließ meinem PATMan allerdings mit einer Engelsgeduld alle Zeit der Welt. So gewann Patty Vertrauen und begann langsam doch einige Übungen mitzumachen und es stellten sich schön langsam Erfolge ein.

Das Leben nach dem spektakulären Unfall

Nicht das ihr denkt, nachdem die Therapie abgeschlossen war, war alles wie früher. Leider nein. Patrik hatte noch Jahre nach dem Unfall immense Angst vorm Fallen und konnte Stiegen nicht mehr alternierend steigen, sondern stellte immer das rekonvaleszente Bein zum gesunden Bein dazu.

Mittlerweile hat er das zwar wieder gelernt, aber er ist seitdem nie mehr Fahrrad oder Roller gefahren, obwohl der Unfall nun bereits fünf Jahre zurückliegt. Auch Schifahren möchte er nicht mehr. Dabei war er darin so richtig gut.

Das Jahr des Schiunglücks hat ihn leider sehr geprägt. Der Übergriff durch die Mitschüler und der spektakuläre Unfall in so kurzer Zeit haben ihn komplett verändert. Er war seither sehr vorsichtig, schüchtern und introvertiert. Er versuchte lange jeglicher Gefahr und auch fremden Menschen aus dem Weg zu gehen.

Doch dann wechselte er nach Abschluß der Mittelschule in einen Berufsvorbereitungslehrgang im 2. Wiener Gemeindebezirk und alles wurde wieder besser 😊