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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Einschulung

In meinem Blog Artikel “Die tägliche Challenge” habe ich euch von unseren Herausforderungen in Patriks ersten Lebensjahren erzählt. Nach jahrelangen Therapien und unterschiedlichsten Fördermaßnahmen war er bestmöglich auf seinen Start ins Schulleben vorbereitet und ich war fest davon überzeugt, dass mein PatMan – wenn wir nur am Ball bleiben würden – den Sprung in den Regelplan schaffen würde.

Schulstart voller Freude

Er war so stolz, dass er bald, so wie sein großer Bruder, in die Schule gehen würde und freute sich sehr darauf. Wir sprachen viel über die bevorstehende Einschulung und hatten bereits alles für den ersten Schultag vorbereitet – alle Schulsachen im Design von Käpt´n Sharky: Rucksack für Ausflüge, Turnsackerl, Federpennal, Stifte, Radiergummi und Lineal. Eben alles im perfekten Design für meinen kleinen Piraten. Und so sind wir am ersten Montag Morgen im September 2011 voller Vorfreude in Richtung Schule in See gestochen. 

Patrik an seinem ersten Schultag
Patrik an seinem ersten Schultag

Patrik wurde mit drei anderen Integrationskindern und etwa 20 Regelkindern der Klasse 1A zugeteilt. Für diese Klasse waren gesamt drei Lehrerinnen, eine davon Integrationslehrerin, zuständig. Alle Schüler, Eltern und Lehrerinnen versammelten sich also im Klassenraum der 1A. Die Schüler*innen nahmen in den Schulbänken Platz und platzierten ihre Schultüten vor sich auf dem Tisch. Die Eltern reihten sich an den Seitenwänden des Klassenzimmers auf und die Lehrerinnen hießen alle herzlich Willkommen. Sie erzählten ein bisschen über den bevorstehenden Schulalltag und die Kinder bekamen auch von den Lehrerinnen eine kleine Schultüte als Geschenk mit nachhause.

Im Schulalltag gab es dann Stunden, die im gesamten Klassenverband gemeinsam stattfanden und Schulstunden, die die Integrationslehrerin nur mit den vier I-Kindern abhielt. Hierfür gab es einen extra Raum direkt neben dem Klassenzimmer. Der Schultag dauerte täglich bis 15.30 Uhr, daher gab es keine Hausaufgaben. Da die Klassenlehrerin wusste, dass ich allein erziehend und berufstätig war, empfahl sie mir recht bald nach Schulbeginn die Nutzung des Fahrtendienstes. Für Kinder im Integrationsplan wurde dies vom Staat gratis und unkompliziert angeboten.

Fahrtendienst für den Schulweg

Das Patrik fortan vom Fahrtendienst zur Schule und auch wieder nachhause gebracht wurde, erleichterte mir den Alltag enorm. Sobald er morgens abgeholt wurde, konnte ich zur Arbeit fahren und musste am Nachhauseweg nicht an der Schule halten, um ihn abzuholen. Mein Alltagsstress war durch die Unterstützung des Fahrtendienstes deutlich erleichtert, allerdings hatte ich kaum Berührungspunkte mit Lehrern, anderen Eltern oder Schüler*innen und erfuhr so recht wenig vom Schulalltag. Patty hatte allerdings recht bald Freunde gefunden, von denen er erzählte und er wirkte glücklich.

Er hatte weiterhin wöchentlich seine Therapiestunden und die Entwicklungskontrollen vier mal im Jahr. Körperlich entwickelte er sich grundsätzlich sehr gut, wich in den Perzentilen allerdings immer mehr vom Altersdurchschnitt ab. Daher begannen wir eine Wachstumshormontherapie und ich musste ihm täglich abends mit einer Pen Wachstumshormone spritzen. 

Ich war also weiterhin sehr mit Pattys Gesundheit und Therapien beschäftigt. Zusätzlich zu den Arzt- und Therapieterminen, fuhren wir zwei Mal pro Woche nachmittags zum Fussballplatz, da Philip mit Fussballtraining in einem Verein begonnen hatte. So hatten wir zwar im Grunde jeden Tag etwas vor, verbrachten aber dennoch recht angenehme Wochen im ersten Schuljahr.

Herbe Enttäuschung im zweiten Schuljahr

Im zweiten Schuljahr begannen dann die Schwierigkeiten. Die Integrationslehrerin kam immer weniger mit Patrik klar und rief mich ständig während meiner Arbeitszeit an um mich zu fragen, warum er dies tat oder jenes sagte und wie sie damit umgehen sollte. Dann äußerte die Klassenlehrerin den Verdacht, dass Patty ADHS haben könnte, weil er angeblich nicht still sitzen wollte. Obwohl ich sicher war, dass er es nicht hatte, da er zuhause sehr lang sehr ruhig und ausgeglichen spielte, ließ ich ihn testen. Und ich behielt Recht. Er hatte kein ADHS. Das Lehrer-Team reagierte beinah enttäuscht, da sie gehofft hätten, die zu verabreichenden Medikamente bei Behandlung von ADHS hätten den Unterricht mit ihm erleichtert.

Leider erzählte mein PatMan zuhause kaum etwas von den Erlebnissen in der Schule, wurde immer ruhiger und so erfuhr ich nur nach und nach was er alles erleben musste. Immer öfter setzten die Lehrerinnen ihn ganz alleine an einen Tisch am Gang, während die Klassengemeinschaft im Klassenraum gemeinsam unterrichtet wurde. Von anderen Eltern erfuhr ich, dass die Lehrerinnen grundsätzlich Schwierigkeiten mit den Jungs hatten und die Mädchen bevorzugten. Obwohl am Tag der offenen Tür vor der Einschulung versprochen wurde, dass die Kinder genügend Bewegung machen würden und immer wieder Sport sowie Bewegung im Garten an der Tagesordnung stehen würden, durften die Kinder im Schulalltag kaum in den Garten und verbrachten viel Zeit mit malen und basteln als Abwechslung zu schreiben, rechnen und lesen – alles immer sitzend in der Schulbank.

Schülerinnen erzählten mir, dass die Lehrerinnen Witze über Patrik machen würden und ihn oft als Negativbeispiel vor der Klasse verwendeten. So saßen die Kinder z.B. ein einem Sesselkreis und lernten ein Lied über die Monate des Jahreskreises und als ein Kind den Text nicht wusste, sagte die Lehrerin: „Das ist doch wirklich nicht so schwierig, dass kann ja sogar der Patrik!“ Wenn sich andere Schüler über Patty lustig machten, schritten die Lehrerinnen auch nicht ein.

Im Nachhinein ärgere ich mich sehr über mich selbst. Warum war ich nicht hellhöriger? Warum habe ich solange nicht bemerkt, dass dies nicht der richtige Ort für Patty war? Eines der vier Integrationskinder verließ bereits im allerersten Semester die Schule und Patriks beste Freundin wechselte nach der ersten Klasse in eine andere Schule. Doch ich dachte mir nichts dabei. Leider. Denn hätte Patty auch nach dem ersten Schuljahr gewechselt, wäre es noch nicht so schlimm gewesen. 

Stellungnahme vom Stadtschulrat

Die Situation spitzte sich zu, da die Integrationslehrerin mich immer öfter anrufte und am Liebsten ein Handbuch für den Umgang mit Patty gehabt hätte. Sie hatte mir tatsächlich gesagt, wenn er ADHS, Autismus oder ein anderes Syndrom hätte, dann könnte sie sich ein Buch über die Krankheit kaufen und wüßte dann was zu tun wäre. Außerdem verlangte sie von mir, dass ich auf jeden Schulausflug mitging, sonst dürfte Patrik nicht mit und müsste zuhause bleiben. In meiner Verzweiflung rief ich den Stadtschulrat an. Die Dame am Telefon wusste sofort von welcher Lehrerin ich sprach, obwohl ich noch gar nicht ihren Namen gesagt hatte. Ich erfuhr, dass die Lehrerin eigentlich nur Sprachheilpädagogin war und vor Patriks Einschulung länger im Burn-Out gewesen war. Sie fühlte sich eigentlich gar nicht bereit wieder zu unterrichten, aber der Stadtschulrat ließ ihr keine Wahl. Dann erklärte mir die Dame aus dem Stadtschulrat noch dass sie mich zwar verstehen konnte und dass sich schon einige Eltern über die Lehrerin beschwert hatten, aber sie leider nichts tun konnte, da sie nun mal keine anderen Lehrer*innen zur Verfügung hatten.

Da erst begann ich auch viel mit anderen Eltern über die Situation zu sprechen und erfuhr nach und nach immer mehr fürchterliche Geschichten über das Lehrerteam. So wurde eine Mutter zum Beispiel darauf angesprochen, ob ihr Kind vielleicht Opfer eines Missbrauchs in der Familie gewesen sein könnte, da es sich ständig die Hände waschen wollte. Als die Mutter dies ausschloß, empfahl die Lehrerin dem nochmal nachzugehen.

Kinder erzählten mir, das Patrik ständig mit Puzzle spielen beschäftigt wurde, damit die anderen Kinder in Ruhe lernen konnten. Tatsächlich wurde er also separiert anstatt wie versprochen integriert.

Patty wurde dann auch noch aufgrund der Beurteilung seiner Lehrerinnen vom Allgemeinen Sonderschullehrplan in den Schwerstbehinderten Lehrplan abgestuft und es gab ein Eltern-Lehrer-Gespräch in dem wir uns darauf einigten, dass es besser war, wenn Patrik die Schule wechseln würde.

Leider dauerte die hierfür erforderliche Abwicklung aufgrund der Bürokratie immens lang und wir verloren wieder ein halbes Jahr, da der Schulwechsel mitten im Schuljahr nicht möglich war. Wir absolvierten wieder einmal Testungen und Termine mit Therapeuten und Direktor*innen, um alles unter Dach und Fach bringen zu können.

Erst mit Beginn der 3. Volksschulklasse konnte Patty dann in die neue Schule gehen, aber mit den Nachwehen der vergangenen Schuljahre hatte er leider noch lange zu kämpfen.