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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Erziehungsburnout

Kennt ihr das, wenn ihr das Gefühl habt nichts geht mehr? Wenn alle Kraft, die ihr nur irgendwie aufbringen könnt scheinbar verbraucht ist? Wenn ihr einfach nur schlafen wollt … nichts hören, nichts sehen, nichts denken und schon gar nicht funktionieren müssen. Jede Mutter kennt das mit Sicherheit – ganz egal, ob sie ein oder mehrere Kinder hat, gesunde oder besondere. Vielleicht hast du aber auch gar keine Kinder und kümmerst dich um Eltern oder Geschwister. Auch dann hattest du sicherlich schon solche Momente …

Momente in denen mir alles zu viel wird und ich einfach nur aussteigen möchte oder die Zeit anhalten, um selbst ein bisschen Luft zu haben, Momente in denen ich mich handlungsunfähig fühle, der Hurrikan rund herum aber immer intensiver wird, diese Momente nenne ich Erziehungsburnout. Warum? Es sind die Momente in denen ich zwar genau wüsste was das Richtige für meine Kinder wäre, das erzieherisch Wertvolle, das pädagogisch Korrekte, ABER ich habe keine Kraft dafür – nicht jetzt, nicht mehr. Vielleicht morgen wieder.

Nach mittlerweile insgesamt 20 Jahren Erziehungsarbeit hab ich tatsächlich so was wie ein Burnout in Sachen Erziehung. Es reicht einfach. Ich denke ich habe nun genug erzogen. Aber dennoch dauert es immer noch lange, bis ich es in solchen Momenten schaffe los zu lassen, und dem Drang das vermeintlich Richtige trotz Kraftlosigkeit zu tun, weiter zu funktionieren, widerstehen kann. Und manchmal schaffe ich es auch nach all den Jahren einfach gar nicht.

Wie es dazu kommt?

Der Moment baut sich auf – wie in einem Film. Es sind viele kleine Punkte die sich zu einem Großen formen, zu einem Großen das ganz plötzlich und völlig unerwartet zu groß ist. Und ja – ich weiß dann ganz genau was ich bereits zuvor anders, besser hätte machen können. Aber in dem Moment ist es eben bereits zu spät. Die Dinge sind bereits passiert. Zu oft über die Grenze gegangen, die der Körper ohnehin gesetzt hätte. Da länger aufgeblieben, dort zu ungesund oder zu spät gegessen, wieder trotz Müdigkeit Überstunden gemacht, nach einem ohnehin zu langem Tag noch Sport gemacht … lauter kleine steps. Jeder einzelne grundsätzlich keine große Sache – aber zusammen: zu viel, zu grell, zu laut, zu anstrengend. Und wenn du nicht wenigstens dann achtsam bist und die Zeichen deines Körpers ernst nimmst, dann eskaliert es.

Alleinerzieher*innen haben aber leider auch oft gar nicht die Möglichkeit auf die Zeichen des Körpers rechtzeitig zu reagieren. Die kids müssen nun mal in die Schule oder in den Kindergarten und jedenfalls versorgt werden. Sie müssen zumindest täglich essen und trinken, sie brauchen saubere Klamotten und je nach Alter müssen sie auch noch beschäftigt werden – idealerweise pädagogisch wertvoll. Aber wer soll sich hierum kümmern, wenn da niemand ist außer dir selbst?

Und die meisten Mütter, oder auch Väter, gehen auch noch arbeiten. Das heißt 20 – 40 Stunden der Woche, je nachdem wofür ihr euch verpflichtet habt, gehen für den Job drauf. Die stehen weder den kids, noch deinem Sport, der Hausarbeit oder Sonstigem zur Verfügung. Versteht mich an dieser Stelle bitte nicht falsch. Ich liebe meinen Job und ehrlicherweise fällt mir der Job oft deutlich leichter als die Kinderbetreuung bzw. -erziehung. Aber alles zusammen ist eben doch sehr viel … überhaupt für eine Person alleine … Kids, Job, Haushalt, eigene Bedürfnisse – sofern du die im Stress überhaupt noch wahr nimmst.

Meine immer wiederkehrende Überforderung hat mir in den letzten Jahrzehnten oft Migräne beschert. Alles war dann zu viel und jedes kleine Geräusch, jede noch so kleine Lichtquelle hat mich gequält. Eine Migränespezialistin hat das Phänomen sehr passend auf den Punkt gebracht: Ein Migräneanfall ist vergleichbar mit einem Computerausfall. Wenn ein Computer rund um die Uhr laufen muss, wird er irgendwann überhitzen und ganz plötzlich einfach runter fahren … rien ne va plus … nichts geht mehr. 

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.

Selbstverständlich wusste ich auch bei Migräneanfällen immer was das Richtige gewesen wäre: Auspannen. Schlafen. Sagt einem ja auch jeder*jede ungefragt 😉 „Du musst dir einfach mehr Ruhe gönnen!“ – genau! Danke für den Tipp! Wäre ich alleine nieeee drauf gekommen! Aber wie das gehen soll, das sagt einem dann niemand. Und eventuell mal mit den Kids ´nen Ausflug machen, damit du einen day-off hast, das bietet auch selten jemand von den cleveren Ratschlägeverteilern an … aber egal. „DU schaffst das schon! Hast du ja immer.“

Und dann kommt gleich der nächste „gut gemeinte“ RatSCHLAG: Du kannst die anderen nicht ändern, nur dich selbst! Hierzu sag ich nur eines: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Daher an dieser Stelle von mir kein Rat – sondern eine Bitte: Seid achtsam damit was ihr anderen als RatSCHLÄGE um die Ohren knallt. Versucht lieber zuzuhören und bietet vielleicht Hilfe an. Hilfe in Form von Taten! Nicht in Form von Worten … 

Tipp für Zwischendurch: Atmen - Atmen - Atmen
Tipp für Zwischendurch:
Atmen – Atmen – Atmen

Den allerbesten RatSCHLAG, den ich je bekommen habe, bekam ich von einem Arzt. Ich war bei einem Neurologen wegen meiner immer öfter wiederkehrenden Migräne. Meine Hausärztin hatte mir empfohlen dies mal medizinisch von einem Facharzt abklären zu lassen, um körperliche Auslöser ausschliessen zu können. Da Migräneanfälle aber nur schwer mit exaktem Datum in der Zukunft voraus zu sagen sind, war ich bei jedem vereinbarten EEG-Termin schmerzfrei. Das führte zu dem Ergebnis, dass der Arzt mir erklärte: ich habe nichts, nichts medizinisches.

Als ich dann von meinem Alltag erzählte, wusste er sofort was die Lösung wäre. Er meinte, dass das selbstverständlich alles zu viel für eine Person wäre und das er ein Mittel für mich hätte, dass mich pushen würde und so könnte ich ganz leicht alle meine Aufgaben unter einen Hut bekommen ohne jemals dabei zu ermüden. Das Mittel wäre völlig unbedenklich. Alle amerikanischen Manager würden es nehmen.

Da ich Bedenken äußerte und ihm sagte, dass ich nichts einnehmen wollte was sich nach legaler Droge anhörte, erklärte er mir: „Na gut. So wird das aber nicht weiter gehen. Entweder sie nehmen diese Pillen täglich oder sie setzen sich halt irgendeinen Trottel in ihr Leben rein, der ihnen hilft!“ Na bestens! Das war also des Rätsels Lösung! So easy!!! Das ich da nicht von selbst drauf gekommen bin … Ich musste also „nur“ einen Typen aufreissen – DER MANN als Retter in der Not und Lösung für alles – ich dachte ich geh kotzen! Für diese Lösung war und bin ich leider zu romantisch veranlagt. Ich hätte wohl zugegebenermaßen nichts gegen einen Partner gehabt, aber doch nicht um mir Arbeit abzunehmen. Das wäre dann wohl eher ein Angestellter als ein Partner – zumindest in meinen Augen.

Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.

Wie sooft in meinem Leben habe ich mir daher selbst geholfen. Ich hab es vielleicht noch nicht erwähnt, aber ich bin mit einer Menge „Phrasendrescherei“ groß geworden. Es gab kaum einen Moment in meiner Kindheit und Jugend für den nicht ein Zitat passend gewesen wäre. Am Liebsten wurden von meiner Familie Schlagertexte zitiert. Ihr glaubt gar nicht wieviel ich dadurch gelernt habe! Aber im Ernst – Musik war immer ein Anker für mich und ich könnte mir ein Leben ohne Musik nicht vorstellen. Doch zurück zum eigentlichen Thema – meine Überforderung. In diesem Fall war das passende Zitat aus meiner Kindheit: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.“

Es war also klar, was nötig war: Dem Körper die Ruhe gönnen, nach der er so sehr schreit. Das war allerdings das schwierigste Unterfangen. Ja es muss – aber wie? Ich habe ja schon im Blog-Beitrag „die tägliche Challenge“ erzählt, dass Patrik jahrelang nicht durchgeschlafen hat, da er ständig krank war. Daher war durchschlafen auch für mich jahrelang ein Fremdwort und ausschlafen erst recht. Dann die tägliche Challenge mit Terminen wie Therapien, Fussballtraining, Arztterminen und natürlich auch Besuche von Freunden, die kids sollten ja auch Spaß haben. Nebenbei noch Job und Hausarbeit … wo sollte ich da wohl Ruhephasen unterbringen?

Daher war Kinder-vorm-Fernseher-parken oft die einzige Möglichkeit, wie ich wenigstens zu 1,5 Stunden Schlaf kam. Selbstverständlich habe ich auch gewusst, dass es nicht pädagogisch wertvoll ist die kids mit Disney- oder Pixar-Filmen ruhig zu stellen, vorallem wenn 1,5 Stunden aufgrund der Intensität der Schmerzen dann doch nicht ausreichend waren. Für gewöhnlich dauerte es aber gsd nur 1,5 -2 Stunden, bis die Schmerzmittel wirkten und ich wieder funktionieren konnte. So habe ich das auch tatsächlich ein paar Jahre hinbekommen. Dann kam die Eskalation und ich hatte ein Überlastungssyndrom. Es folgten Krankenstand und Kur – erst stationär und anschließend noch ambulant. Im Nachhinein weiß ich, dass mich dieser „Schuß vor den Bug“ gerettet hat. Denn ohne die Eskalation meines Körpers hätte ich mit Sicherheit so weiter gemacht bis noch Schlimmeres passiert wäre.

Daraus habe ich viel gelernt.

Immer funktionieren funktioniert halt nicht. Daher empfehle ich dir aus meiner Erfahrung: Sei nicht so streng mit dir! Du musst nicht immer alles auf die Reihe bekommen. Du musst nicht jeden vereinbarten Termin auch einhalten. Es muss nicht immer sauber und aufgeräumt sein. Gerade deinen kids wird das zum Beispiel herzlich egal sein, wie es zuhause aussieht. Und wenn überraschend Besuch kommt – fuck it! Wenn es den Besuchern nicht hübsch und ordentlich genug ist, sollen sie selbst aufräumen oder nicht mehr ungefragt vorbei schneien! Das ist meiner Meinung nach ohnehin eine Unart.

Überlege dir daher ganz genau und gut was du mit deiner Zeit so anstellst. Was von alle dem das auf deiner endlosen to-do-Liste steht, ist tatsächlich wirklich nötig? Wenn du ehrlich bist, wirst du feststellen, dass das deutlich weniger ist, als auf der Liste steht …richtig? 😉

In diesem Sinne empfehle ich dir: Achte gut auf dich! Achte gut auf deinen Körper. Denn nur wenn es dir gut geht, kann es auch deinen Kindern und deinem Umfeld gut gehen. Stress verursacht Gereiztheit. Es trübt deine Wahrnehmung, macht dich ungerecht und läßt dich oft übertrieben reagieren. Daher besser ab und an eine kleine Auszeit, als dann notgedrungen für längere Zeit ausfallen. Ich weiß, es ist schwierig, aber nicht unmöglich. Go for it!