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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Jugend am Werk

Diese Woche war es also soweit. Patrik hat seine Probezeit bei Jugend am Werk gestartet. Es war eine sehr emotionale Woche für uns beide.

Montag Morgen hat alles super funktioniert. Patrik war rechtzeitig wach, angezogen und hat in Ruhe gefrühstückt. Dann sind wir zu Jugend am Werk ALPHA aufgebrochen und haben uns mit allen Unterlagen im Büro angemeldet. Es muss ja alles seine Ordnung haben, schon grundsätzlich, aber erst recht in einem Beamtenstaat 😉

Dann sind wir in seine Gruppe, zu seinen Betreuern gegangen. Er durfte sich einen Spind aussuchen und wurde in die Gepflogenheiten eingewiesen. Ich habe mich verabschiedet und bin nachhause gefahren. Mein Plan war die Zeit bis zum Abholen für diversen privaten Bürokratiekram zu nutzen. Patrik wird ja in Kürze bereits 18 Jahre alt und somit rechtlich gesehen erwachsen und selbständig. Die Sozialversicherung war bereits so nett, mich zu informieren, dass eine Mitversicherung Patriks bei mir erneut beantragt werden muss. Des Weiteren könnten wir für Patrik die Mindestsicherung beantragen und es gilt zu entscheiden, ob eine Erwachsenenvertretung ebenfalls erforderlich ist.

Förderbewilligung

Kaum dass ich mit meinem Kaffee in meinem Lieblingssessel saß und ein bisschen über das Leben meines PATMANs senierte, wurde ich angerufen. Am Display erkannte ich die Telefonnummer von Jugend am Werk – mein Herz blieb fast stehen. Was war nun wieder passiert? Die nette Dame aus dem Büro erklärte mir, dass die erforderliche Förderbewillligung für Patrik bereits abgelaufen war. Ich war ausser mir. Auf der Bewilligung stand groß und deutlich, dass sie bis 31.12.2023 gültig war! Was ich allerdings übersehen hatte war, das auf der Rückseite angeführt war, dass die Bewilligung ab Ausstellung innerhalb eines Jahres genutzt werden musste. Anderenfalls würde sie ihre Gültigkeit wieder verlieren.

Ohne gültige Bewilligung könnte Patrik nicht weiter in die Tagesstätte kommen. Unvorstellbar für mich, nachdem mein PATMAN die letzten zwei Jahre ein ständiges Hin und Her zwischen “Schule ja, nein, vielleicht” und die Unsicherheit, ob das dritte Jahr im Berufsvorbereitungslehrgang statt finden könnte oder nicht, erleben musste. Undenkbar, dass er jetzt wieder zuhause bleiben sollte und erst nach Übermittlung einer erneuten Bewilligung wieder in die Einsteigergruppe hätte gehen dürfte. Ich war fest entschlossen dafür zu kämpfen, dass er nun endlich Kontinuität und Stabilität erleben konnte.

ein Ärger nach dem Anderen

So telefonierte ich unter Tränen mit Fonds Soziales Wien und Jugend am Werk, um eine Ausnahmegenehmigung für meinen PATMAN zu erzielen. Ich bin unendlich dankbar, dass sowohl die Leiterin von Jugend am Werk ALPHA als auch die Damen vom Fond Soziales Wien sehr verständnisvoll und entgegenkommend alles Menschenmögliche getan haben, dass Patrik auch am nächsten Tag wieder in seine Gruppe kommen konnte. Wir haben innerhalb von wenigen Stunden einen Kurzantrag für die Verlängerung gestellt und die Bewilligung hierfür erhalten, sodass ein lückenloser Besuch Patriks in seiner Gruppe für die gesamte Probezeit gewährleistet ist.

Tagesstruktur
Tagesstruktur

Kaum das der bürokratische Ärger gelöst war, folgte der nächste Alptraum: mein PATMAN ist, bereits am nächsten Tag, morgens vollkommen ausgerastet. Er war voller Angst, Panik und Hysterie und wollte zuhause bleiben. Vor lauter Nervosität bekam er Durchfall und eine Panikattacke. Er hat sich auf der Toilette eingesperrt und als ich ihn da erstmal raus bekommen hatte, hat er sich am Mobiliar festgeklammert, festentschlossen das Haus nicht zu verlassen. Da er merkte, dass ich diesmal nicht nachgeben würde, hat er dann noch einen Aggressionsanfall bekommen. Ich muss zugeben, ich war momentan vollkommen überfordert.

Mutterliebe & Erziehungsburnout

Auch wenn wir derartige Situationen schon mehrfach erlebt haben, kann ich mich nicht daran gewöhnen. Es ist jedes Mal fürchterlich anstrengend und emotional fordernd für mich. Diese innere Zerrissenheit zwischen der Mutterliebe, die sich in meinem Mitgefühl mit meinem armen PATMAN zeigt, und meinem Erziehungsburnout, das sich durch die Überforderung und Verzweiflung breit macht, ist dann kaum auszuhalten.

Auf der einen Seite tut mir mein kleiner Großer immens leid, weil er mit dieser Angst konfrontiert ist und diese Panik spürt. Auf der anderen Seite ist in vielen Situationen für mich absolut surreal wo diese Angst überhaupt herkommt und es ist vorallem diesmal vollkommen klar gewesen, dass er die Angst irgendwie überwinden muss. In der Hoffnung, dass sie rasch wirken würden, hab ich ihm Notfalltropfen gegeben.

Telefonjoker

Dann löste ich in meiner Verzweiflung einen Telefonjoker ein und rief Patriks Vater an. Ich legte das Handy mit Lautsprechfunktion auf den Tisch und hielt mich zurück. Vielleicht konnte ja ein Vater-Sohn-Gespräch helfen. Mein Ex-Mann erklärte Patrik, dass es diesmal ein “No-Way-Out-Szenario” war. Diesmal gab es keinerlei Verhandlungspielraum, viel zu wichtig war die Probezeit für Patrik, um danach in dieser idealen Stelle fix übernommen zu werden – eine einmalige Chance also.

Gott sei dank hat das Gespräch Erfolg gebracht. Ich schaffte es anschließend Patrik, wenn auch ohne Frühstrück, ins Auto zu bewegen. Wir fuhren Richtung Jugend am Werk und kamen sogar rechtzeitig an. Dort angekommen erklärte ich den Betreuern die Situation, in der Hoffnung das sie Verständnis hätten und der Tag problemlos verlaufen würde. Auch mit der Leiterin der Tagesstätte führte ich ein Gespräch, um mich nochmal für ihren Einsatz am Vortag bezüglich der “Notfallsbewilligung” der Förderung durch den FSW zu bedanken und um ihr die Situation rund um Patriks Angststörung zu erklären. Beide waren sehr verständnisvoll und ich konnte mit ruhigem Gewissen wieder nachhause fahren, um zu arbeiten.

Sorgen & Stress

Den ganzen Tag über hatte ich immer wieder Sorge, dass ich angerufen werden würde, um Patrik vorzeitig abholen zu müssen. Aber der befürchtete Anruf kam nicht. Als ich Patty dann nach seinem Arbeitstag wieder abholte, versicherten mir die Betreuer, dass sich Patrik schnell eingefügt hatte und nachmittags sogar Arbeitsaufträge erfüllt hatte. Ich war immens erleichtert! Und auch mein PATMAN schien erleichtert und gestärkt davon, dass er es schlußendlich doch geschafft hatte.

Petra Koller DU

Mittwochs haben wir verschlafen und hatten somit gar keine Zeit für Emotionen oder Gedanken vor lauter Stress. Ich schreckte um sieben Uhr vierzig auf und trieb Patrik förmlich mit Bundesheer-Manier an. Schon zehn Minuten später saßen wir beide im Auto und fuhren Richtung Tagesstätte.

Jugend am Werk

Die restlichen Tage verliefen unspektakulär. Am Donnerstag machte Patrik mit seiner Gruppe einen Ausflug zum Flughafen. An diesem Tag wurde Patty von seinen Brüdern Philip und David abgeholt und sie haben zusammen einen Brüdernachmittag verbracht. Ich habe den freien Nachmittag sehr genossen und mich von den Erlebnissen der Woche erholt. Als Patrik abends von seinem Bruder nachhause gebracht wurde, erzählte er mir freudestrahlend, dass er heute einen Freund gefunden hatte. Mein Herz ging auf als ich sah, wie glücklich mein Schatz war.

Nach seiner ersten Woche in der Arbeitswelt ist mein PATMAN nun gelöst, gestärkt und immens stolz. Und das zu Recht! Auch sein Vater und ich sind immens stolz auf ihn. Dass er die Woche – für seine Verhältnisse – so toll gemeistert hat, ist wirklich eine Leistung. Seine Ängste lähmen ihn so sehr, dass es ihn enorm viel Kraft kostet diese zu überwinden. Aber er hat es geschafft. Nun genießt er sein Wochenende mit allem was ihm Spaß macht und wir sind gespannt wie es nächste Woche weiter geht.