Suche
Close this search box.
petra koller stern 1
petra koller stern 1
petra koller stern 1

Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Jugend am Werk SEEBOGEN

Mittlerweile hat Patrik bereits zwei Wochen bei Jugend am Werk SEEBOGEN verbracht. Es war wieder herausfordernd für ihn sich auf die neue Situation und die neuen Menschen einzustellen.

Als ich meinen PATMAN am ersten Tag zu Jugend am Werk SEEBOGEN gebracht habe, war er sehr nervös. Er hatte nichts gefrühstückt und war sehr angespannt. Die Gruppenleiterin hat ihn sehr freundlich willkommen geheißen und ihm alles gezeigt. Nachdem er seine Sachen in seinem Spind eingesperrt hatte und ich mich verabschiedet hatte, hat er sich zu einem Tisch gesetzt. Ich ging wieder zum Auto, musste ich doch zur Arbeit fahren.

Beim Auto angelangt, konnte ich durch die große Fensterscheibe der Tagesstruktur erkennen, dass Patrik starr und weiß wie eine Wand immer noch auf dem Stuhl saß. Ich blieb eine Weile im Auto sitzen und beobachtete ihn. Er bewegte sich nicht. Etwa fünfzehn Minuten sah ich ihn an, in der Hoffnung, dass sich etwas ändern würde. Aber das tat es nicht. Als ich schweren Herzens Richtung Arbeit aufbrach, saß er immer noch stocksteif und blass auf dem Stuhl und starrte mit leerem Blick in eine Richtung.

Als ich ihn am Nachmittag wieder abgeholt habe, sprang er ins Auto und erzählte sofort sehr aufgebracht, dass ein Teilnehmer ständig laut schreien würde. Ich erklärte ihm, dass das ja keine Absicht wäre, sondern der Mann sehr krank wäre und leider nicht anders könnte. Das verstand Patrik selbstverständlich, es änderte aber nichts daran, dass ihn das störte. Des Weiteren berichtete er, dass die Anderen sehr viel Rülpsen und Furzen würden. Sowas findet mein PATMAN fürchterlich ekelhaft.

Seestadt
Seestadt – Seebogen

Ungewohnte Situation

Es ist auch sehr ungewohnt für ihn, dass am Standort SEEBOGEN sehr viele Erwachsene mit speziellen Bedürfnissen in seiner Gruppe sind. Bis dato hatte Patrik nur Kontakt mit Gleichaltrigen, die nicht im primären Arbeitsmarkt untergekommen sind. Nun bevorzugt mein PATMAN schon grundsätzlich eher den Umgang mit Kindern oder Jugendlichen anstelle von Erwachsenen, aber Erwachsene mit speziellen Bedürfnissen kannte er bis dato gar nicht. Am Standort ALPHA gab es sie zwar, aber in der Einsteigergruppe waren ausschließlich Jugendliche und somit hatte Patrik keinen Kontakt zu den Erwachsenen Teilnehmern.

Die folgenden Tage war es wieder unmöglich ihn zum Frühstücken zu bringen. Abgesehen davon wurde die Situation allerdings von Tag zu Tag zumindest ein kleinwenig besser. Am Mittwoch hat er gemalt und seine Werke auch mit nachhause gebracht. Wir mussten sie in seinem Zimmer aufhängen. Er hat aber sehr oft nach Alex, dem Betreuer von Jugend am Werk ALPHA, gefragt. Ende der ersten Woche wollte Patrik dann wissen, wann er denn wieder zu Jugend am Werk ALPHA dürfte. Ich sagte ihm wahrheitsgetreu, dass ich es nicht wusste. Alex und die anderen Betreuer waren mitten im Umzug an den neuen Standort und ich hatte keine Ahnung, ob mein PATMAN überhaupt wieder in die Einsteigergruppe könnte, wenn er es gewollt hätte.

Erwachsenenvertretung

Am Freitag hatten wir dann endlich den Termin beim Vertretungsnetz für die Einrichtung der Erwachsenenvertretung. Patrik wollte nicht sprechen und war selbst mit seinen Handzeichen sehr sparsam. Daher kam eine gewählte Erwachsenenvertretung nicht in Frage. So habe ich nun die gesetzliche Erwachsenenvertretung für alle Belange Patriks beantragt.

B4D2FD02 3B23 4CDB ABBF E4FF793B3753
Vertretungsnetz

Um den Antrag vollständig abschließen zu können ist ein ärztliches Attest erforderlich, dass ich von der Ärztin vom VKKJ abholen hätte müssen. Leider ist der Standort aber am Ende der Stadt und das hätte ich in dieser Woche zeitlich unmöglich hinbekommen. So war ich sehr froh, dass unser Hausarzt das Attest anhand der vorliegenden Befunde Patriks ausstellen konnte. Ich habe es noch bis Ende der Woche geschafft es abzugeben, sodass ich den Bescheid über die aufrechte Erwachsenenvertretung hoffentlich sehr bald erhalten werde. Dann kann ich Patrik trotz seiner Volljährigkeit endlich wieder rechtlich in jeder Hinsicht vertreten, wie früher als er noch ein Kind war.

Gesundheitlich geht´s endlich bergauf

Das Wochenende konnte Patrik dann, nach dem Termin beim Vertretungsnetz und der absolvierten ersten Woche bei Jugend am Werk SEEBOGEN, genießen. Er war sehr entspannt und konnte sich so richtig erholen. Ich bin sehr erleichtert, dass es Patrik seit Ende Dezember gesundheitlich deutlich besser geht. Er ist sehr stabil und hat, abgesehen von ein bisschen Schnupfen oder Husten ab und an, keinerlei Symptome. Darüber bin ich sehr froh, hatte er im Spätherbst ja leider wieder mit ständigen Fieberschüben und Magen-Darm-Problemen zu kämpfen. Doch das ist nun vorbei.

Dienstagmorgen war er dann allerdings sehr müde und sah wieder krank aus. Er wollte eigentlich zuhause bleiben, doch er war fieberfrei und so habe ich ihn zur Arbeit gebracht. Da er nur 50 Fehltage gesamt zur Verfügung hat, für Urlaube und Krankenstandstage, ist es nicht anders möglich gewesen. Ich erklärte ihm, das man nicht immer zuhause bleiben kann, nur weil man sich nicht ganz wohl fühlt. Es gibt gute Tage, an denen man fröhlich ist und voller Kraft. Aber es gibt auch nicht so gute Tage, an denen man sich müde und schlapp fühlt. Das ist ganz normal, aber dennoch muss man gut in sich rein hören und entscheiden, ob man tatsächlich krank ist oder einfach keinen guten Tag hat.

Als ich ihn abgeholt habe, war er immer noch schlapp und nachmittags hat er dann sogar gebrochen und ging erschöpft bereits um 19 Uhr zu Bett. Ich habe es dennoch nicht bereut, ihn in die Arbeit gebracht zu haben, denn wie gesagt er muss eben lernen, das man in der Arbeitswelt mit seinen Abwesenheiten haushalten muss. Es ist zwar besonders für ihn nicht einfach es zu lernen, aber es hilft nichts. Auch er soll verstehen, dass es einen Unterschied zwischen Unwohlsein und echter Krankheit gibt.

Jugend am Werk SEEBOGEN

Winter in der Lobau
Wintereinbruch in der Lobau

Jedenfalls war er an den folgenden Tagen morgens wieder fit und hat sich selbstständig für die Arbeit fertig gemacht. Morgens bringe ich ihn immer in die Gruppe und spreche kurz mit der Gruppenleiterin, damit ich am Laufenden bin. Sie hat mir Ende der zweiten Woche dann erzählt, dass sich Patrik von Tag zu Tag mehr öffnet und am Donnerstag bei einem gemeinsamen Einkauf sehr viel gesprochen hat. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Er malt auch weiterhin sehr viel und zeigt mir stolz seine Werke. Nun ist er scheinbar schon ein Stückweit sicher und so kann er nun mit anderen Arbeiten beginnen.

Gemäß den letzten Infos kann er solange bei Jugend am Werk SEEBOGEN bleiben, solange es ihm Spaß macht. Ich hoffe sehr, dass er dort nun immer mehr Fuß fasst und weiterhin Fortschritte macht. Die Werkstätte ist, wie im BLOG “neues Jahr – neues Glück” bereits berichtet, ganz neu und sehr hell und freundlich eingerichtet. Der Standort ist kleiner als Jugend am Werk ALPHA und sehr nahe an unserem Wohnort gelegen. Rein von der Örtlichkeit ist die Werkstätte somit ideal. Aber mein PATMAN muss sich natürlich wohl fühlen und vor allem soll er etwas lernen und zeigen was er kann. Ich wünsche mir sehr, dass er das bald macht.