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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Urlaub

Nach der vollendeten zweiten Ferienwoche sinniere ich über das Thema Urlaub. Dieses Jahr habe ich keinen Urlaub mit meinem PATMAN geplant. Warum? Weil der Familienurlaub letztes Jahr ziemlich in die Hose gegangen ist.

Ich erinnere mich als wäre es gestern gewesen. Geplant war ein Urlaub zu viert. Mein PATMAN, sein Bruder Philip, dessen Freundin Verena und ich. Wir wollten zwei Wochen in einem kleinen Ort an der Südküste von Kreta verbringen. Ich liebe diesen Ort. Er ist malerisch und magisch. Weit weg vom Massentourismus ist es dort möglich dem Alltag vollkommen zu entrinnen. Es ist ein Ort der Ruhe und der Entspannung. Ich hatte mich so darauf gefreut eine harmonische, entspannte Zeit mit meinen Liebsten zu verbringen und Kraft zu tanken für das letzte Schuljahr von Patty. Doch es kam ganz anders.

Flugangst

Das mein PATMAN Flugangst hat, das wusste ich. Aber ich dachte wenn wir den Flug erst mal überstanden haben, wird er erleichtert sein und gepusht davon, dass er es geschafft hat. Ich hoffte, dass die Zeit mit seiner Familie, mit seinem großen Bruder an seiner Seite, ihm wieder Sicherheit geben wird und seinen Selbstwert steigern würde. Er sollte gestärkt von dem Urlaub zurück kommen. Doch leider irrte ich.

Es begann damit, dass Patrik sein Zuhause nicht verlassen wollte. Er fürchtete sich so sehr vor dem Flug, dass er kurz vor der Abreise eine Panikattacke bekam und wir ihn nur mit aller Kraft und mit mächtig Druck aus unserem Haus ins Taxi brachten. Tatsächlich war es ein enorm anstrengender Kraftakt für alle Beteiligten. Erst sperrte sich Patty in der Toilette ein, als ich ihn da raus bekommen hatte, klammerte er sich am Türstock fest. Er schrie und flehte, doch es half nichts, wir mussten los. Alles war organisiert und bezahlt und ich war sicher, wenn er den Flug erstmal überstanden hatte, dann würde er erleichtert sein und den Urlaub mit seinem Bruder genießen.

Seit Philip ausgezogen war, hatten die beiden sehr wenig Zeit miteinander verbracht und ich dachte die gemeinsame Zeit würde ihnen gut tun. Patty sollte sehen, dass er nicht alleine war mit mir. Er hatte ja noch seinen großen Bruder, der ihn liebte und immer für ihn da war! Ich dachte nach den angstvollen eineinhalb Jahren des Corona-Ausnahmezustands würde der Urlaub ihm gut tun und Patrik könnte durch den Familienurlaub wieder fröhlicher und ausgelassener werden – so wie früher. Er war früher so ein fröhliches Kind gewesen.

Urlaub einst und jetzt

PATMAN im Urlaub 2018
2018 auf Kreta

Patrik und ich waren drei Jahre zuvor bereits gemeinsam mit Freunden in dem kleinen Örtchen. Damals war Patty fröhlich und war im Meer, schwamm im Pool und spielte mit dem befreundeten Mädchen. Bis diese sich mit einem fremden Mädchen anfreundete. Ab diesem Zeitpunkt war mein PATMAN alleine mit mir, weil sie nicht mehr mit ihm spielen wollte. Er war gekränkt und beschäftigte sich daher größtenteils mit seinem Gameboy.

Doch diesmal sollte es anders werden, denn sein Bruder würde sich nicht von ihm abwenden. Und da Patrik den Ort bereits kannte, dachte ich es würde diesmal ein toller Urlaub werden. Wir wollten zu viert essen gehen, gemeinsam Gesellschaftsspiele spielen, schwimmen, spazieren – alles was uns Spaß macht.

Qualvolle Anreise

Doch wie gesagt – es sollte ganz anders kommen. Als ich ihn also endlich ins Taxi gebracht hatte, verwandelte seine Angst sich in Wut. Während der Taxifahrt ließ sein strafender Blick mich wissen was er dachte: „Warum tust du mir das an?“ und er schickte mir unaufhörlich abwechselnd traurige und wütende Emojis mit seinem Handy, um mir zu zeigen, wie schrecklich das Alles für ihn war.   

Er sprach den ganzen Tag über nicht, aß nicht und trank nichts. Absolut nichts. Das Taxi hatte uns um halb 10 Uhr vormittags von zuhause abgeholt. Der Flug hatte leider Verspätung und nach der Ankunft am griechischen Flughafen, dauerte der Transfer zum Hotel noch zwei Stunden. Wir waren daher fast zehn Stunden unterwegs und er hatte ab dem Frühstück bis zum späten Abend nichts gegessen, nichts getrunken und nicht gesprochen. Er versteckte sich hinter seiner FFP2-Maske, aber seine Augen sprachen Bände. Wenn Blicke töten könnten, wären meine Söhne seit diesem Tag Halbwaise.

Angekommen im Resort waren wir alle ziemlich fertig, aber hungrig und so wollten wir noch essen gehen. Patrik wollte nicht mitkommen. Ich erklärte ihm, dass wir zur Hotelbar mussten, um das Wlan-Passwort zu erfahren. Daher ging er dann doch mit. Das war das einzige Mal das er mit uns essen war – bis zum Tag der Abreise.

Anfangsschwierigkeiten

PATMAN im Urlaub

Am nächsten Tag wollte er weder zum Strand noch zum Pool. Er sagte, dass er zu müde war. Ich verstand ihn, da die Anreise sehr anstrengend war und für ihn aufgrund seiner Panik besonders herausfordernd. Daher ließ ich ihn, wie er es wollte, am Zimmer. Er sollte sich erholen und durfte seine Videospiele spielen. Ich ging mit Philip und Verena zum Pool, der direkt unter unserem Zimmer war. Daher war ich nicht weit weg von Patty und ich ging alle zwei Stunden aufs Zimmer um nach ihm zu sehen. Ich hatte den Eindruck, das es ihm gut ging und er sich gut erholte.

Als es dann Zeit war um Abend essen zu gehen, der nächste Eklat. Patrik weigerte sich mitzugehen. Er wurde wieder panisch und hysterisch. Er schrie, warf seine Sachen durchs Zimmer und versuchte Argumente zu finden warum er nicht mitgehen konnte. Ich wollte ihn nicht alleine am Zimmer lassen, wollte aber auch nicht wegen ihm auf einen Abend in der Stadt mit Philip und Verena verzichten. Wir hatten alle Hunger und hatten vereinbart, dass tagsüber jede*r machen sollte, was ihm*ihr gefiel – schließlich war ja Urlaub 😉 – aber abends würden wir immer gemeinsam in die Stadt gehen. Aber Patty ließ sich nicht umstimmen, Philip und ich hatten alles versucht, und so gab ich schlussendlich auf, auch wenn mir nicht wohl war bei der Sache.

Die Erlebnisse vom ersten Urlaubstag wiederholten sich und so verbrachte mein PATMAN den gesamten Urlaub am Zimmer. Ich brachte ihm Essen und Getränke und sah immer wieder nach ihm, aber er war nicht aus dem Zimmer zu bringen. Ich versuchte es jeden Tag auf unterschiedliche Weise, doch er ließ sich nicht überreden – no chance.

Ernüchterung

Philip und Verena reisten nach einer Woche aufgrund von Verpflichtungen wieder ab, Patrik und ich blieben noch eine Woche. Ich saß in meinem persönlichen Paradies und trotzdem es mein Herzenswunsch gewesen war mit meinen Kindern hierher zu reisen und sich mein Wunsch auch erfüllt hatte, war mein Herz schwer. Ich fühlte mich unendlich traurig und schuldig und dann noch diese Ohnmacht. Das Gefühl nichts an der Situation ändern zu können und auch noch daran Schuld zu sein, plagte mich sehr.

Und so saß ich alleine am Strand und starrte in die Wellen, sie waren besonders hoch an diesem Tag. Der Wind peitschte mir ins Gesicht als wolle er mich ohrfeigen als Strafe für meinen Egoismus. ICH wollte hierher, ICH dachte es wird ein wunderschöner Urlaub für alle. ICH wünschte mir soooo sehr einen Urlaub mit meinen Liebsten auf dieser traumhaften Insel, in dieser besonderen Stadt, fern vom Massentourismus inmitten der Idylle: menschenleerer Strand, liebevolle Kellner*innen in der Strandbar, in der ich das Gefühl hatte der einzige Gast zu sein, weil die Tische so weit auseinander stehen, dass die anderen Gäste nicht zu hören waren. Die Bar lieferte in der Tat eine gelungene Mischung aus Ruhe und Intimität trotz liebevoller Bedienung.

Strandbar
Strandbar

Wie sehr hatte ich mich auf diesen Urlaub gefreut. Ich hatte mir eingeredet, dass sich meine Kinder in dem Urlaub wieder näher kommen würden. Mein Ziel war, dass Patrik spürt dass er nicht alleine ist und dass das Leben Spaß macht. Er sollte sehen, dass auch sein Bruder ihn liebt und immer für ihn da ist, auch wenn er nicht mehr mit uns zusammen wohnt. Und Gott weiß, Philip hat sich wirklich wirklich Mühe gegeben. Wir hätten zu viert wirklich eine Menge Spaß haben können, doch aus irgendeinem Grund konnte Patrik sich in diesem Urlaub nicht entspannen.

Im Bann der Angst

Er wollte sein sicheres Zuhause nicht verlassen. Aber ich dachte ich kenne ihn besser und wenn er dann mit uns hier im Paradies ist, wird er froh sein und es genießen. Ich dachte er würde aufblühen. Doch das tat er nicht. Im Gegenteil: Tatsächlich war es für ihn stressig, beinah traumatisch. Bis heute weiß ich nicht warum der Urlaub so ablaufen musste und was ihn so sehr getriggert hat, was für eine tiefe Angst in Patrik steckt. Ich habe unzählige Male versucht mit ihm über den Urlaub zu sprechen. Erfolglos.

Wie immer haben wir das Beste draus gemacht. Ich ließ ihm seinen Willen und hoffte er würde sich beim Spielen am Zimmer entspannen. Die zweite Urlaubswoche ohne Philip und Verena, habe ich quasi alleine verbracht. Ich habe viel gelesen und mir Ausbildungsvideos meiner Coaching Ausbildung angesehen. Obwohl es sehr heiß war habe ich die Woche so gut es ging genossen und habe sowohl am Pool als auch in der Strandbar so richtig die Seele baumeln lassen. Und ich habe viel nachgedacht … Zeit genug, hatte ich ja 😉

Unser gemeinsames Highlight

Eines Abends sagte ich, dass ich in die Stadt gehen würde, um für meine Freundinnen eine Kleinigkeit zu besorgen, die ich ihnen mitbringen wollte. Da sprang Patrik plötzlich auf und erklärte mir, dass er mitgehen würde, da er für seine Freundin auch etwas besorgen wollte. An diesem Abend war er mit mir in der Stadt – das einzige Mal in diesem Urlaub. Wir kauften gemeinsam ein und gingen dann wieder zurück auf unser Zimmer. Es war ein kurzer aber sehr schöner Ausflug.

Sonnenuntergang
Sonnenuntergang

Danach hat Patrik das Zimmer erst wieder verlassen, als wir mit den gepackten Koffern zur Strandbar gingen, um auf das Taxi zu warten, das uns zum Flughafen bringen sollte. Er war sehr gefasst und ruhig. Er versuchte in der Bar sogar Pommes zu essen, musste sich dazwischen aufgrund seiner Nervosität aber leider übergeben. Die Heimreise verlief Gott sei Dank unspektakulär und als wir wieder zu hause waren, war er erleichtert und gelöst. Er hat die Zeit danach mit Luna sehr genossen und wich ihr wochenlang nicht von der Seite.

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Eigentlich wollte ich ihm mit diesem Urlaub etwas Gutes tun und hatte nicht im Ansatz damit gerechnet, dass sich der Urlaub derart entwickelt. Dennoch habe ich viel daraus gelernt. Das Gegenteil von gut, ist gut gemeint. Patrik entspannt sich am Besten in seinem sicheren Zuhause, Urlaub ist nichts für ihn. Der Ortswechsel, der Flug, die veränderte Umgebung und die vielen Menschen am Flughafen waren in Zeiten von Corona scheinbar zu viel für ihn. Das hatte ich zugegeben unterschätzt. Und vor allem die lange Trennung von Luna stresste ihn scheinbar unheimlich und das konnten Meer, Sonne und die Geborgenheit durch die Familie auch nicht wegmachen.

Wir sind eben doch deutlich verschiedener als ich dachte. Er braucht, gerade aufgrund der Pandemie, noch mehr Sicherheit und Gewohntes. Ich hingegen brauche nach all dem Irrsinn der letzten beiden Jahre den Tapetenwechsel, die Tiefenentspannung an Kraftorten wie Rom oder meiner geliebten Martinstherme. Damit mein PATMAN und ich den maximalen Benefit von Urlaub haben, mache ich seit dem nur noch ohne ihn Urlaub, auch wenn es mir schwer fällt, weil ich ihm so gerne mehr von der Welt zeigen würde und ihm gerne zeigen würde wie viel Spaß das Leben machen kann. Aber dafür ist die Zeit scheinbar noch nicht reif.