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petra koller stern 1
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Zwischen Mutterliebe und
Erziehungsburnout

Wie alles begann …

Nachdem ich 2003 meinen zweiten Sohn in der 25. Schwangerschaftswoche tot zur Welt bringen mußte, brach eine Welt für mich zusammen. Man sagte mir, dass sich die Plazenta aufgrund meiner Gebärmutteranomalie leider ungünstig plaziert hatte und schlecht durchblutet war und so war mein Baby schlecht versorgt und ist dann quasi in mir verhungert. Eine grauenhafte Vorstellung!

Der Wunsch nach einem Geschwisterchen für meinen erstgeborenen Sohn Philip war allerdings sehr laut in mir und auch wenn ich nach der Totgeburt sehr lange körperlich und seelisch stark gezeichnet war, ließ mich der Wunsch nicht mehr los.

So war ich etwa 14 Monate nach dem schrecklichsten Tag in meinem Leben wieder schwanger. Anfangs war ich voller Hoffnung und so unendlich glücklich. Mein damaliger Arzt versicherte mir, es würde alles gut laufen. Er meinte, dass so etwas wie eine Totgeburt leider sehr viele Frauen erleben müssen, aber dies für gewöhnlich nur 1x im Leben einer Frau vorkommt und ich daher nichts zu befürchten hätte. Im ersten Schwangerschaftsdrittel ging es mir auch sehr gut. Ich war so happy, dass ich endlich wieder schwanger war und freute mich so sehr auf mein Baby und darauf, dass Philip endlich ein Geschwisterchen bekommen würde. Ab dem zweiten Drittel hatte ich dann allerdings immer wieder so ein komisches Gefühl … ich konnte nicht in Worte fassen was es war, aber ich hatte immer wieder Zweifel, dass wirklich alles ok war und die Angst dass wieder etwas Schreckliches passieren würde, war immer dabei. Immerhin hatte ich immer noch diese Anomalie – eine doppelte Gebärmutter und wer konnte mit Sicherheit sagen, dass es nicht wieder zu einer Unterversorgung kommen würde? Mein Arzt nahm das allerdings nicht ernst und gab mir das Gefühl, dass ich unnötig hysterisch wäre. Er war der Meinung dass alles in Ordnung sei. Mich ließ das ungute Gefühl allerdings nicht los und so fuhr ich ins Krankenhaus zu einer Untersuchung und besprach dort mit dem Arzt meine Bedenken. Dort wurde ich gsd ernst genommen und es wurde ein Nabelschnur-CTG gemacht. Tatsächlich – die Nabelschnur war schlecht durchblutet, was erneut zu einer Unterversorgung führen konnte. Zusätzlich entsprach die Größe meines Babys bereits nicht der üblichen Größe in dieser Schwangerschaftswoche. Mein Gefühl hatte mich also nicht getäuscht. Die Spitalsärzte empfahlen eine wöchentliche Kontrolle im Krankenhaus und zusätzlich sollte mich ab sofort zuhause ein Mal pro Woche eine mobile Hebamme besuchen, um ein CTG zu machen um sicher gehen zu können, das es dem Baby gut ginge.

Dann in der 26. Schwangerschaftwoche der Schock: wieder ein vorzeitiger Blasensprung, wie bei der letzten Schwangerschaft. Aber diesmal spürte ich mein Baby – er bewegte sich noch, das machte mich zuversichtlich, dass er überleben würde. Wir fuhren sofort ins Krankenhaus, liessen Philip bei unseren Nachbarn. Ich wurde stationär aufgenommen und schon nach kurzer Zeit setzten die Wehen ein. Die Ärzte versuchten mit allen Mitteln die drohende Geburt herauszuzögern, aber es gelang nicht. Schon ein paar Tage später bekam ich wieder starke Wehen. Leider hat mir die Hebamme nicht geglaubt, dass ich Wehen habe und so waren nach kurzer Zeit plötzlich Patriks Füsschen zu sehen, da er Beckenendlage war. Ich schlug sofort Alarm. Innerhalb von Sekunden waren plötzlich die Hebamme, Ärzte und Krankenschwestern in meinem Zimmer. Danach ging alles sehr schnell. Ich wurde an ein CTG angeschlossen, um die Herztöne meines Kindes zu überwachen. Zeitgleich schoben sie mich in meinem Bett Richtung OP. Die Hebamme wollte Patrik gleich so rausholen, aber gsd hat die Oberärztin festgestellt, dass die Herztöne von Patty unregelmäßig waren und bestand daher auf einen Notkaiserschnitt. Das hat Patrik das Leben gerettet! Die unregelmäßigen Herztöne kamen nämlich daher, dass er die Nabelschnur um den Hals hatte. Hätte die Hebamme also einfach – wie sie eigentlich wollte – Patty an den Füßen geschnappt und aus mir rausgezogen, hätte sie ihn quasi mit der Nabelschnur erdrosselt! So bemerkte ich gerade noch, dass ich für den Kaiserschnitt vorbereitet wurde und fiel dann recht rasch in die Narkose. Als ich wieder aufwachte, zeigte mir mein Mann ein Polaroid von unserem viel zu kleinen, schwachen Liebling und erzählte mir, dass Patrik mit nur 926g Geburtsgewicht und 35cm Geburtslänge auf die Welt kam. Patty wurde gleich nach der Geburt auf die Neonatologie gebracht, wo er bis zu seinem eigentlichen Geburtstermin bleiben sollte – also ganze 3 Monate! Er wurde ständig überwacht und lag in einem Inkubator. Da ihn das selbständige Atmen derart schwächte wurde nach zwei Tagen intubiert. Da es für so kleine Frühchen fürchterlich schmerzhaft ist den Tubus zu ertragen, bekam er starke Medikamente. Er war zu schwach um zu trinken und wurde per Sonde ernährt. Ich war nach dem Notkaiserschnitt auch geschwächt und durfte daher nicht sofort zu meinem Sohn. Erst am nächsten Tag brachte mich mein Mann mit dem Rollstuhl zu meinem Kleinen. Es brach mir fast das Herz ihn da zu sehen – in dem Inkubator, an zig Schläuchen, wie ein kleines Vogelbaby sah er aus. Die Haut war noch so dünn und er so unendlich winzig, so hilflos.

Nach einer Woche Krankenhausaufenthalt wurde ich entlassen. Fortan planten wir unseren gesamten Alltag rund um Patrik und die Zeit, die wir im Krankenhaus auf der Neonatologie bei ihm verbrachten. Mein Mann fuhr morgens zur Arbeit, ich brachte Philip in den Kindergarten und fuhr dann ins Krankenhaus zu Patrik. Dort verbrachte ich die Zeit bis Mittags mit „kangarooing“, so nennt man das Kuscheln mit Frühchen. Patrik lag den ganzen Vormittag nur mit einer winzigen Windel bekleidet und seinen lebensnotwendigen Schläuchen auf meiner Brust. Ich genoss diese Zeit sehr. Dennoch musste ich mich am späten Mittag losreissen und Philip vom Kindergarten abholen. Meist fuhr ich dann mit Philip wieder ins Krankenhaus und er verbrachte den Nachmittag mit mir bei Patrik. Zwei Intensivschwestern kümmerten sich abwechselnd um Patrik, Philip allerdings unterhielt immer die gesamte Station.

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Sehr schnell hatte er gelernt welchen Schlauch sein Bruder wofür benötigte und zeigte gerne die gemachten Fotos von ihm her. Natürlich kuschelte auch er mit seinem kleinen Bruder oder wir kuschelten zu 3. Das waren sehr schöne Momente und manchmal fühlte ich mich wie die Mutter in einer ganz gewöhnlichen Familie. Tatsächlich war unser Alltag immens anstrengend. Auf der einen Seite versuchte ich so viel Zeit wie möglich bei Patrik zu verbringen, auf der anderen Seite hatte ich ständig das Gefühl dass Philip viel zu kurz kam. Ausser mir, meinem Mann und Philip durfte niemand auf die Station. Wenn Philip nicht mit mir im Krankenhaus war oder im Kindergarten, verbrachte er die Zeit bei meinen Eltern, meiner Schwester oder bei seinen besten Freunden. Gsd hatten wir hier wirklich tolle Unterstützung, sonst weiß ich ehrlich gesagt nicht wie wir das geschafft hätten. Als Patrik extubiert wurde, konnten die Medikamente endlich abgesetzt werden. Tatsächlich bekam er da allerdings Entzugserscheinungen. Es war grauenvoll mein immer noch extrem winziges Baby im Inkubator zittern zu sehen wie ich es nur aus Filmen oder Beiträgen über Drogenkranke kannte. Die Behandlung mit Methadon machte ihm den Entzug erträglicher und nach und nach konnte die erforderliche Methadondosis immer mehr reduziert werden, bis Patrik endlich ohne Schmerzmittel leben konnte.

Nach 11 Wochen Daueraufenthalt Patriks auf der Frühchenstation hatte er es zu einem Gewicht von 2.138 g und einer Länge von 43 cm geschafft und konnte endlich entlassen werden. Wir konnten endlich zuhause zu viert wie jede Familie zusammen leben. Wir waren so happy und genossen die Zeit anfangs. Doch schon nach drei Wochen wurde Patrik sehr krank und da fing die tägliche Challenge eigentlich erst so richtig an. Doch davon berichte ich euch in einem anderen Blogbeitrag.